The Innovator's Dilemma
niedrigeren Energieverbrauch.
Für Seagate-Ingenieure stand es außer Frage, dass sich das 3,5-Zoll-Laufwerk am Markt durchsetzen wird. Bereits 1985 – ein Jahr nach Rodime und zwei Jahre bevor Conner Peripherals ein solches am Markt einführten – präsentierte man den Kunden einen funktionierenden Prototypen. Die Initiative war von den Technikern ausgegangen. Opposition kam indes vom Marketing und vom Top-Management. Sie argumentierten, dass der Markt größere Kapazitäten und niedrigere Kosten pro Megabyte wolle und dass ein 3,5-Zoll-Laufwerk niemals zu günstigeren Kosten pro Megabyte produziert werden könne.
Gleichwohl testeten die Marketingleute von Seagate das neue Laufwerk. Allerdings nur bei ihren bestehenden Kunden im Markt für Desktops. Wen überrascht es, dass diese nur geringes Interesse am kleineren Laufwerk zeigten? Die nächste Desktop-Generation vor Augen interessierte man sich für Kapazitäten von 40 bis 60, während das 3,5-Zoll-Laufwerk nur 20 MB bieten konnte – und das noch zu höheren Kosten 24 . Als Reaktion auf die eher bescheidene Resonanz beim Kunden wurden die Umsatzprognosen durch die Verantwortlichen stark zurückgenommen und am Ende das Programm ganz gestrichen. Die Begründung war genauso einleuchtend wie einfach: Der Markt für das 5 ¼-Zoll-Laufwerk war größer und Investitionen in die Weiterentwicklung dieses Laufwerks versprachen weitaus höhere Erträge als Investitionen in das 3,5-Zoll-Laufwerk. Zudem spielten für die bestehenden Kunden Eigenschaften wie höhere Stabilität, reduzierte Größe, weniger Gewicht und niedrigerer Energieverbrauch keine Rolle.
Ein weiterer Grund für die zu späte Einführung einer neuen Technologie lag in der Angst begründet, dass die bestehenden Produkte durch neue kannibalisiert werden könnten. Das aber muss so nicht sein, wie der Fall Seagate-Conner zeigt. Eine neue Technologie wird dann bestehende Produkte nicht kannibalisieren, wenn dadurch neue Anwendungen entstehen. Warten indes etablierte Unternehmen mit der Einführung einer neuen Technologie so lange, bis der Markt dafür tatsächlich reif ist und/oder führen sie die Technologie nur reaktiv ein, um bereits erfolgte Angriffe durch Neueinsteiger zu parieren, ist diese Angst berechtigt und wird zur selbst erfüllenden Prophezeiung.
Die Reaktion von Seagate auf die Einführung der 3,5-Zoll-Laufwerksarchitektur ist geradezu typisch. Bis 1988 hatte nur ein Drittel der Produzenten von 5 ¼-Zoll-Laufwerken auf dem Desktop PC-Markt ein 3,5-Zoll-Laufwerk eingeführt. Ähnlich wie bei vorherigen Technologiesprüngen stellte [37] nicht die Technologie als solche das eigentliche Problem dar. Auch beim Wechsel vom 5 ¼-Zoll- auf das 3,5-Zoll-Laufwerk verfügten die etablierten Unternehmen über Lösungen, die denen der Neueinsteiger in nichts nachstanden. Vielmehr wurden die Hersteller von 5 ¼-Zoll-Laufwerken durch ihre bestehenden Kunden in die Irre geführt. Keines der etablierten Unternehmen war sich über das Potenzial von tragbaren Computern und das der neuen Laufwerke, die diese erst ermöglichten, im Klaren.
Prairietek, Conner und das 2,5-Zoll-Diskettenlaufwerk
1989 kündigte Prairietek aus Longmont, Colorado die Einführung eines 2,5-Zoll-Laufwerks an und eroberte damit auf Anhieb 30 Million Dollar des neu entstehenden Marktes. Conner Periphals reagierte. Bereits Anfang 1990 stellte das Unternehmen ein eigenes 2,5-Zoll-Laufwerk vor und nahm bis zum Jahresende 95 % des Marktes ein. Trotz beachtlicher Anfangserfolge musste Prairietek Ende 1991 Konkurs anmelden – zu einem Zeitpunkt, an dem mittlerweile jeder andere Hersteller von 3,5-Zoll-Laufwerken . (Quantum, Seagate, Western Digital und Maxtor) sein eigenes 2,5-Zoll-Laufwerk auf den Markt gebracht hatte.
Was genau war geschehen? Hatten die etablierten Unternehmen endlich aus der Geschichte gelernt? Nicht wirklich, wie auch Abbildung 1.7 zeigt. 2,5-Zoll-Laufwerke hatten bedeutend weniger Kapazität als das 3,5-Zoll-Laufwerk. Aber der Markt für diese Geräte – tragbare Computer – legte einmal mehr Wert auf andere Faktoren: Gewicht, Stabilität, niedriger Energieverbrauch und kleinere Baugrößen. Nach diesen Kriterien beurteilt, zeigte das 2,5-Zoll-Laufwerk eine bessere Performance. Bei Licht betrachtet war es keine disruptive, sondern eine evolutionäre Technologie. Die Käufer von Conners 3,5-Zoll-Laufwerk – insbesondere Toshiba, Zenith und Sharp – waren Notebook-Hersteller.
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