The Lost
Mädchen seufzte ungeduldig, obwohl es sichtlich nervös war.
»Ich bin zwanzig«, sagte sie.
»Können Sie sich ausweisen?«
Sie seufzte erneut und trat zum Küchentresen, um ihre Handtasche zu holen. Ray stand, die Arme verschränkt, da und starrte mit leerem Blick und zusammengepressten Lippen auf die Schallplatten im Wandregal. Schilling hoffte, dass es ihm heute Nacht zumindest gelungen war, Rays hübsche nichtssagende Fassade zum Bröckeln zu bringen.
Das war immerhin ein Anfang.
Das Mädchen gab ihm seinen Führerschein. Wie erwartet hatte sie die Wahrheit gesagt. Sie war zwanzig. Trotzdem war es schade, denn sie nach Hause zu schicken hätte Ray noch wütender gemacht.
»Okay, Jennifer. Alles in Ordnung. Wir sehen uns, Ray.«
Er nahm an, dass Ray seine ganze Willenskraft aufbringen musste, um nicht die Tür hinter ihnen zuzuschlagen.
Er war froh, dass seine Tochter heute Nacht nicht in Jennifers Haut steckte. Wenn er nicht völlig falschlag, kriegte die Kleine gleich einiges zu hören, so wütend wie Ray war. Es war ziemlich riskant, bei ihm zu bleiben.
»Was war denn das für eine Geschichte mit dem Typen, der zwei junge Frauen umgebracht hat? Jemand, der aussieht wie dieses Arschloch hier?«, fragte Shack.
»Ray interessiert sich für die Ermittlungsarbeit bei der Polizei. Wir haben darüber ein kurzes Gespräch geführt, das ist alles. Was meinen Sie? Können Sie ihn sich bei uns im Department vorstellen?«
»Um Himmels willen. Mir reicht schon, dass dieses Arschloch in derselben Stadt wohnt wie ich. Da muss ich ihn nicht auch noch auf der Arbeit sehen.«
Schilling klopfte ihm auf die Schulter und lächelte. »Mir gefällt Ihr Standpunkt, Officer Shack. Sie werden es noch zum Detective bringen, warten Sie ab.«
18
Jennifer
Sie hatte keine Ahnung, warum sie geblieben war, aber irgendetwas hatte sie dazu veranlasst, ein Gefühl, das ihr sagte, dass Ray momentan sehr verletzlich war und sich damit eine günstige Gelegenheit bot, ihn von dieser Katherine loszueisen, auf die er so scharf war, und von dieser bescheuerten Dee Dee und den ganzen anderen Tussis, wie dieser Neuen, Sally. Sie rechnete mit einem Tobsuchtsanfall, glaubte aber, dass sie das verkraften konnte.
Inzwischen hatte sie Übung darin.
Allerdings hatte sie nicht damit gerechnet, dass er das ganze Apartment auseinandernehmen würde.
Sie saß stocksteif auf dem Bett, den Rücken gegen das Kopfteil gepresst, die Hände zu Fäusten geballt, während er den Küchentisch umstieß, so dass Bier und Knabbergebäck durch die Luft flogen. Als Nächstes schleuderte er den Tisch an die Wand, trat die Küchenstühle um und sprang auf ihnen herum, bis sie zusammenkrachten. Er zerbrach die Schallplatten über dem Knie, dann warf er sie ebenfalls gegen die Wand, er zerrte die Kabel aus dem Plattenspieler und schleuderte ihn quer durchs Zimmer, riss das Stones-Poster herunter und zerfetzte es, zerschlug die Gläser und halbvollen Bierflaschen in der Spüle, am Küchenschrank und an der Wand. Und die ganze Zeit über schimpfte er auf die Bullen, auf Schilling und auf das verdammte Arschloch, das ihn bei den Cops verpfiffen hatte, und auf seine verfickte Mutter und seinen bescheuerten Vater, obwohl die beiden, soweit sie wusste, nichts mit der Sache zu tun hatten. Seine Haare hingen ihm ins Gesicht, er brüllte und tobte und zeigte mit dem Finger auf sie, als wäre das allein ihre Schuld, was natürlich Unsinn war, aber es reichte schon, dass sie hier im Zimmer hockte, ein Mensch aus Fleisch und Blut.
Ihr fiel der abgebrochene Flaschenhals an ihrer Wange ein.
Sie blieb still sitzen und betrachtete alles mit einem gewissen Respekt, wie man aus mehr oder weniger sicherer Entfernung einen Wirbelsturm beobachtet. Sie hatte Angst vor ihm und Angst um ihn; sie fürchtete, dass die Polizei zurückkommen könnte, denn die Party war zwar laut gewesen, aber das war nichts, absolut nichts im Vergleich zu dem hier. Als würde er sich die Cops zurückwünschen. Und falls sie erneut anrückten, so befürchtete sie, würde er auf sie losgehen. Verrückt wie er war, schien es fast, als hätte er gar keine andere Wahl.
Auf diese Weise konnte man sich eine tödliche Kugel fangen.
Sie hatte schon öfter erlebt, wie er ausrastete, aber so heftig war es noch nie gewesen, darum fürchtete sie sich davor, ihm zu nahe zu kommen, als er schließlich erschöpft aufs Bett fiel. Sie hatte Angst, er könnte erneut explodieren, also blieb sie zusammengekauert hocken, die
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