The Lucky One - Für immer der Deine/Film: Roman (German Edition)
verstärkten Strömung überhaupt stand!, dachte Thibault. Aber bevor er etwas sagen konnte, war Ben schon die Baumleiter hinaufgeklettert und grinste auf ihn herunter.
»Komm mit! Worauf wartest du noch?«
Thibault hob den Arm, um sein Gesicht gegen die Nässe zu schützen. Auf einmal bekam er es mit der Angst zu tun. »Ich weiß nicht, ob das so eine gute Idee ist –«
»Feigling!«, lachte Ben und lieflos. Die Brücke schwankte bedenklich.
»Warte!«, rief Thibault, aber der Junge hörte ihn nicht mehr. Er war bereits bei der Plattform angekommen.
Also blieb Thibault nichts anderes übrig, als ebenfalls die Baumleiter hinaufzuklettern. Vorsichtig betrat er die Hängebrücke. Die durchnässten Bretter ächzten unter seinem Gewicht. Ben sah, dass er ihm folgte, und eilte weiter zu seinem Baumhaus. Der Vorbau knarzte unüberhörbar, als er ihn betrat, gab aber nicht nach. Mit einem breiten Grinsen auf dem Gesicht drehte sich der Junge zu ihm um.
»Komm zurück! Ich glaube nicht, dass die Brücke mich trägt. Ich bin zu schwer!«, rief Thibault.
»Sie hält ganz bestimmt. Mein Grandpa hat sie gebaut.«
»Bitte, Ben!«
»Feigling!« Der Junge lachte wieder.
Offensichtlich betrachtete Ben die ganze Unternehmung als Abenteuerspiel. Nach einem prüfenden Blick kam Thibault zu dem Schluss, dass die Brücke ihn eventuell aushielt, wenn er sich langsam bewegte. Ben war gelaufen – das bedeutete ja auch eine hohe Belastung. Konnte er es wagen?
Die Bretter waren garantiert schon sehr morsch. Plötzlich musste Thibault an das Foto in seiner Tasche denken. Das Wasser unter seinen Füßen wirbelte, gurgelte und rauschte in einem bedrohlichen Tempo.
Er durfte keine Zeit verlieren. Nach der Plattform in der Mitte betrat er den zweiten Abschnitt der Hängebrücke. Das Foto in seiner Tasche fühlte sich an, als würde es brennen. Dass der Vorbau des Baumhauses sie beide tragen würde, konnte er sich nicht vorstellen.
»Geh schon mal rein!«, rief er Ben zu. Er bemühte sich, nicht allzu besorgt zu klingen. »Du musst nicht im Regen auf einen alten Mann wie mich warten.«
Zum Glück fand Ben diese Bemerkung lustig und verkroch sich in seiner Hütte. Thibault atmete erleichtert auf und machte einen Riesenschritt, um gleich ins Baumhaus zu gelangen, ohne den wenig vertrauenerweckenden Vorbau zu betreten.
»Hier bewahre ich meine Pokémon-Karten auf«, erklärte Ben und deutete auf die Dosen in der Ecke. »Ich habe ein paar ganz wertvolle, zum Beispiel die Charizard-Karte und die Mewtow-Karte.«
»Klingt toll.« Thibault wischte sich das Gesicht ab und setzte sich auf den Fußboden. Um ihn herum bildeten sich lauter kleine Wasserpfützen.
Er musterte den Raum. In einer Ecke lagen verschiedene
Spielsachen. Die Fensteröffnung war nicht verglast, deshalb regnete es herein, und die unlackierten Bodenbretter saugten sich voll. Das einzige Möbelstück war ein Sitzsack auf der anderen Seite.
»Das ist mein Versteck«, sagte Ben und ließ sich auf den Sack fallen.
»Sehr schön.«
»Ich komme immer hierher, wenn ich sauer bin. Wenn die anderen in der Schule gemein zu mir sind.«
Thibault lehnte sich an die Wand. »Was machen sie, wenn sie gemein sind?«
»Ach, alles Mögliche.« Er zuckte die Achseln. »Sie ärgern mich, weil ich nicht so gut Basketball spiele oder weil ich eine Brille habe.«
»Das ist sicher blöd.«
»Mir macht es nichts aus.«
Ben schien gar nicht zu merken, dass er sich widersprach.
»Was gefällt dir hier besonders?«, fragte Thibault.
»Dass ich meine Ruhe habe«, antwortete Ben. »Wenn ich hier bin, fragt mich keiner was, und ich muss nichts machen. Ich kann einfach dasitzen und denken.«
Thibault nickte. »Das verstehe ich.« Durchs Fenster sah man, dass der Wind stärker wurde. Der Regen fiel jetzt fast waagrecht.
»Und was denkst du dann, zum Beispiel?«
Wieder zuckte Ben die Achseln. »Wie das ist, wenn man älter ist und so. Wenn man erwachsen wird.« Und nach einer kurzen Pause fügte er hinzu: »Ich wäre gern größer.«
»Wieso?«
»In meiner Klasse ist ein Junge, der nervt mich dauernd. Er ist echt ein Idiot. Gestern hat er mich in der Schulcafeteria umgeschubst.«
Das Baumhaus wurde von einer Windböe erfasst und schwankte gefährlich. Abermals hatte Thibault das Gefühl, als würde das Foto brennen. Instinktiv griff er in die Tasche. Er verstand diesen Impuls zwar nicht, aber ohne lange zu überlegen, zog er es heraus.
Draußen heulte der Sturm, die Zweige schlugen
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