The New Dead: Die Zombie-Anthologie
plötzlich.
Ich war dabei, sie auf Stirn und Augenlidern zu verteilen, hielt nun jedoch inne und musste mir rasch eine gute Lüge überlegen. Es war längst dunkel, und der Mond schimmerte matt am Himmel. „Sie enthält auch eine Feuchtigkeitspflege“, erklärte ich, so ruhig ich konnte. „Meine Haut trocknet in der Wüstenluft aus und wird schuppig.“
Er sah mich misstrauischer an, als mir angenehm war, und so wechselte ich schnell das Thema.
„Was meinen Sie, wie die Öffentlichkeit auf meinen Bericht reagieren wird ?“
Der Oberst rieb sich einen Moment lang mit beiden Händen über das Gesicht. Es war ein langer Einsatz für jemanden, der eigentlich einen Schreibtischjob hätte haben sollen. „Für eine Weile wird es wahrscheinlich einen ziemlichen Wirbel geben“, seufzte er, „bisman die Ergebnisse sieht. Stellen Sie sich vor, wir würden unsere gesamten Landstreitkräfte durch PMKs ersetzen. Überlegen Sie mal, was das bedeuten würde: keine Verletzten mehr, und das Verteidigungsbudget könnte auf einen Schlag um die Hälfte gekürzt werden. Was Menschen Ihres Schlages nicht zu schätzen wissen …“, sagte er, aber ich musste ihn unterbrechen.
„‚Menschen meines Schlages‘? Was soll das denn heißen?“
Der Oberst bedachte mich mit einem seiner kalten Blicke. „Reporter.“ Er zog vor unserem Zelt eine Kiste heran und setzte sich darauf. Mir bot er keine Sitzgelegenheit an. „Die Sache, die Sie nicht zu verstehen scheinen, ist, dass wir das hier nicht tun wollen. Nichts von alldem!“ Er schloss mit einer ausholenden Geste die Felsen um uns herum, die Berge zu unserer Linken und ganz Muzhikistan ein. „Wir würden gern einfach nur nach Hause gehen. Soldaten mögen es nicht, wenn man auf sie schießt, und Offizieren gefällt es nicht, ihre Männer in Leichensäcke packen zu müssen. Keiner bezahlt uns gern dafür, dass wir das machen. Wenn wir den Krieg, wie wir ihn kennen, beenden könnten, würde da Ihrer Meinung nach nicht jeder zustimmen, dass es sich lohnt, dafür ein bisschen weniger zimperlich zu sein?“
„Manche werden sagen, sie würden die Toten entweihen“, erklärte ich, „egal wie billig Ihre Geheimwaffe ist. Wie auch immer. Würden Sie nicht ohne Job dastehen, wenn wir unsere Bodentruppen durch Tote ersetzen?“
Sogar im Dunkeln konnte ich sehen, wie seine Zähne strahlten. „Welcher Job? Sie haben doch meine Karriere bereits so gut wie beendet.“
Das stimmte zwar, aber ich hielt es nicht für sinnvoll, hämisch zu grinsen, konnte mich jedoch auch nicht dazu überwinden, ihm mein Mitgefühl auszudrücken. „Ich werde jetzt wohl schlafen gehen.“
Wieder machte er eine unbestimmte Handbewegung. Es schien ihn nicht weiter zu interessieren, was ich tat, solange ich keinen Ärger machte. Im Zelt nahm ich meine Sonnencreme heraus und drückte bei geschlossenem Deckel fest auf die Tube. Sie war jetzt beinahe leer, aber ich konnte den versteckten Schaltkreis am Ende der Tube spüren. Er vibrierte leise in meiner Hand, woran ich erkannte, dass er einwandfrei funktionierte.
In der Tube befand sich natürlich keine Sonnencreme, sondern ein sehr spezielles klebriges Zeug, das von einem holländischen Fernsehsender entwickelt worden war: eine Art flüssige Kamera. Jeder einzelne Tropfen der Creme war eine lichtempfindliche Zelle, die positiv geladen war, wenn die Creme aufgetragen wurde, aber negativ geladen, sobald sie Licht ausgesetzt wurde. Die Tropfen konnten nur einen einzigen Pixel aufnehmen, doch wenn man genug davon auf eine Oberfläche auftrug, summierten sich die Pixel. Der in der Tube versteckte Schaltkreis konnte den Ladezustand der Tröpfchen auslesen und aus dem, was sie „sahen“, ein erkennbares Bild zusammensetzen – ein Schwarz-Weiß-Bild mit einer Auflösung im unteren Megapixel-Bereich. Die Bilder wurden in einem Halbleiterspeicher abgelegt und konnten an einem x-beliebigen Einwahlknoten heruntergeladen werden. Alles, was ich während des Einsatzes von Muzhikistan gesehen hatte, war in dieser Tube gespeichert worden, und das, was ich noch zu sehen bekam, würde ebenfalls gespeichert werden, bis mir die Creme ausging.
Ich hatte dem Oberst versprochen, keine Kamera mitzunehmen. Stattdessen hatte ich ein paar Millionen Kameras mitgebracht. Doch ich war wohl kaum der erste Journalist, der eine kleine Lüge benutzte, um an die große Wahrheit zu kommen.
Es sah so aus, als hätte ich noch etwa für einen Tag Creme übrig, und das sollte eigentlich völlig
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