The New Dead: Die Zombie-Anthologie
lange, bis er antwortete. „Sag mal, Kleiner, was glaubst du eigentlich, was ich da mache?“
„Ist doch klar. Du tötest Zombies.“
„Wirklich? Mehr nicht? Ich gehe einfach zu einem Zombie, den ich sehe, und peng !“
„Ähm … ja.“
„Ähm … nein.“ Tom schüttelte den Kopf. „Wie kannst du nur in diesem Haus wohnen und nicht wissen, was ich eigentlich tue … was zu meinem Job gehört?“
„Na und? Jeder, den ich kenne, hat einen Bruder oder einen Vater, eine Schwester, eine Mutter oder eine hässliche alte Großmutter, die einen Zombie getötet hat. Was ist denn schon dabei?“ Er wollte noch hinzufügen, dass Tom wahrscheinlich ein Präzisionsgewehr benutzte und sie aus sicherer Entfernung tötete; nicht wie Charlie und Hammer, die es mit Steinen mano a mano taten.
„Die lebenden Toten zu töten gehört auch dazu, Benny. Aber weißt du eigentlich, für wen ich das mache? Und aus welchem Grund?“
„Aus Spaß?“, riet Benny.
„Versuch’s noch mal.“
„Na gut … Wegen des Geldes?“
„Stellst du dich so dumm, oder kapierst du es wirklich nicht?“
„Was denn? Meinst du vielleicht, ich weiß nicht, dass du ein Kopfgeldjäger bist? Das weiß doch jeder. Zak Matthias’ Onkel Charlieist auch einer. Er hat erzählt, wie er Zombies tief im Gebiet Zerfall und Zerstörung jagt.“
Tom hielt mit der Kaffeetasse auf halbem Wege zum Mund inne. „Charlie …? Du kennst Charlie Pink-Eye?“
„Er dreht durch, wenn die Leute ihn so nennen.“
„Charlie Pink-Eye sollte überhaupt nicht in die Nähe irgendwelcher Leute kommen.“
„Warum denn nicht?“, wollte Benny wissen. „Er erzählt die besten Geschichten und ist echt lustig.“
„Er ist ein Killer.“
„Das bist du doch auch.“
Toms Lächeln war verschwunden. „O Gott, bin ich ein Idiot. Ich muss der schlechteste Bruder sein, den die Welt je gesehen hat, wenn du glaubst, dass ich genauso bin wie Charlie Pink-Eye.“
„Na ja, nicht ganz genauso wie Charlie.“
„Oh, das ist ja schon mal was.“
„Charlie ist cool.“
„Cool“, murmelte Tom, lehnte sich zurück und rieb sich die Augen. „Großer Gott.“
Er kippte den restlichen Kaffee in das Gebüsch neben der Veranda und stand auf.
„Ich sag dir was, Benny. Wir brechen morgen sehr früh in Richtung Zerfall und Zerstörung auf. Ich möchte, dass du mit eigenen Augen siehst, was Charlie da treibt und was ich mache, und dann kannst du dir eine Meinung bilden.“
„Eine Meinung worüber?“
„Über vieles, Kleiner.“
Und damit ging Tom ins Haus und verschwand in seinem Zimmer.
V.
Sie brachen im Morgengrauen auf und hielten auf das südöstliche Tor zu. Der Torwächter ließ Tom wie üblich die Verzichtserklärung unterschreiben, welche die Stadt und die Torwächter von jeglicher Verantwortung freisprach, sollte Tom oder Benny in dem Gebiet namens Zerfall und Zerstörung etwas zustoßen. Bei einem Händler kaufte Tom ein Dutzend Flaschen Diaminopentan – womit sie ihreKleidung betupften – und ein Glas Pfefferminzgel, das sie sich auf die Oberlippen schmierten, um ihren Geruchssinn zu betäuben.
Sie hatten sich auf einen langen Marsch vorbereitet. Tom hatte Benny angewiesen, sich feste Wanderschuhe, eine Jeans und ein strapazierfähiges T-Shirt anzuziehen und einen Sonnenhut mitzunehmen, um sich gegen die erbarmungslosen Sonnenstrahlen zu schützen.
„Wenn’s nicht schon zu spät ist“, meinte Tom.
Benny machte eine verächtliche Geste, als Tom nicht hinsah.
Trotz der Hitze hatte Tom eine leichte Jacke mit vielen Taschen an. Er trug einen alten Armeegürtel um seine schmale Taille, in dessen zerschlissenem Lederhalfter eine Pistole steckte. Benny durfte zwar noch keine Waffe tragen, aber Tom hatte eine Ersatzwaffe im Rucksack verstaut. Das Letzte, was er sich umschnallte, war ein Schwert. Benny sah interessiert zu, wie sein Bruder sich einen langen Riemen überwarf, der von der linken Schulter zur rechten Hüfte reichte. Das Heft des Schwertes ragte über seine Schulter hinaus, damit er es jederzeit schnell mit der rechten Hand ergreifen und herausziehen konnte.
Es war ein Katana , ein japanisches Langschwert, mit dem er Tom täglich hatte üben sehen, solange er denken konnte. Dieses Schwert war das Einzige an Tom, was Benny cool fand. Bennys Mom – Toms Adoptivmutter – war Irin gewesen, ihr Vater jedoch Japaner. Tom hatte seinem Bruder einmal erzählt, dass die Ahnenreihe der Imuras sich bis in die Samuraizeit des altertümlichen Japan
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