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The Road of the Dead

The Road of the Dead

Titel: The Road of the Dead Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kevin Brooks
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bedrängend. Ich sah Abbie unschuldig an, in der Hoffnung, damit bei ihr durchzukommen, aber ich wusste, das brachte nichts. Das Einzige, was mir übrig blieb, war zuzugucken, wie sie langsam den Becher in Richtung Tisch senkte, ihn einen Moment anstarrte, dann den Blick hob und mich hasserfüllt ansah.
    »Du kannst es einfach nicht ruhen lassen, was?«, sagte sie eisig.
    »Ich wollte doch gar nichts   –«
    »Doch, du wolltest. Du und dein Bruder, ihr habt schon die ganze Zeit, seit ihr hier seid, an mir herumgezerrt.
Wo warst du, als Rachel gestorben ist? Was hast du dort gemacht? Was hast du gesehen? Was hast du getan?
Ich meine,
verdammt
…« Sie schüttelte wütend den Kopf. »Ich hab euch doch schon alles
gesagt
, was ich über Rachel weiß. Ich hab euch
gesagt
, was passiert ist. Ich hab euch
gesagt
, wo ich war. Ich hab euch
gesagt
, es tut mir leid. Was wollt ihr denn noch von mir? Und jetzt das   … mich über Vince ausfragen, als ob
er
was damit zu tun hätte   …«
    »Das hab ich doch gar nicht gesagt. Ich hab nur gefragt   –«
    »Lüg mich nicht an«, brauste sie auf. »Gott, du bist schlimmer als dein Bruder. Der hat wenigstens den Mumm, ehrlich zu sein. |129| Der tut wenigstens nicht so, als ob ihn irgendwas anderes interessiert.«
    Ich konnte nicht mit ihr streiten. Ich
wollte
nicht mit ihr streiten. Und selbst wenn, dann hätte ich nicht gewusst, was ich sagen sollte. Also sagte ich gar nichts. Ich saß bloß da und versuchte, nicht schuldbewusst auszusehen, aber wahrscheinlich gelang mir das nicht.
    Abbie stierte mich noch eine Weile an, dann schüttelte sie wieder den Kopf, stand vom Tisch auf und ging hinaus, ohne ein Wort zu sagen.
     
    Ich wartete, bis sie die Treppe hinaufgestapft war und die Schlafzimmertür zugeschlagen hatte, dann schloss ich die Augen und spulte den Taperecorder in meinem Kopf die letzten fünfzehn Minuten zurück. Es war interessantes Material. Ich wusste nicht recht, was das alles zu bedeuten hatte, aber es gab mir jedenfalls genügend Stoff zum Nachdenken.
    Als ich zu Ende gedacht hatte, trank ich die letzten Tropfen von meinem kalten, zuckrigen Kaffee, dann ging ich hinaus, um ein bisschen frische Luft zu schnappen.
     
    Der Hofplatz wirkte im Tageslicht viel kleiner. Als wir nachts ankamen, hatte ich den Eindruck gehabt, es wäre ein weitläufiger Hof mit jeder Menge ungenutztem Raum und baufälligen Gebäuden. Doch jetzt, als ich die Haustür zuzog und ins Sonnenlicht trat, sah ich das Ganze richtig – und da war echt nicht viel. Nur ein paar Quadratmeter Lehm, von Autoreifen zerfurcht, eine klapprige Scheune und einige zerfallene Nebengebäude.
    Mehr nicht.
    |130| Ich ging auf die Scheune zu. Obwohl die Sonne schien und die Luft warm war, bestand der Boden vor allem aus glitschigem Matsch. Weil er nicht tief war, konnte man trotzdem gut drauf gehen, doch bei jedem Schritt gluckste es unter den Schuhen und bei jedem Glucksen setzte der Matsch einen leichten gasigen Geruch frei. Einen Geruch nach Totem, Verrottendem, der mich an meinen Traum erinnerte. Er erinnerte mich auch an den Sturzregen   – Rachels Sturzregen – und ich musste mich einfach fragen, ob diese Nässe unter meinen Füßen noch von den Wolken stammte, die über meiner Schwester niedergegangen waren.
    Ich wusste nicht, was ich davon halten sollte.
    Also dachte ich lieber nicht weiter nach.
    Ich leerte meinen Kopf und ging weiter auf die Scheune zu. In den Ecken des Hofs sammelte sich landwirtschaftlicher Abfall   – Eimer und Kisten, leere Säcke, Maschendraht-Rollen, Wellblech, eine Tränke, eine Sensenklinge, Schraubenfedern, Antriebsräder, Zahnräder und Ketten. Zu Hause auf unserem Autofriedhof hätten die Sachen exotisch gewirkt wie Überbleibsel einer anderen Welt, aber hier wirkten sie einfach nur traurig und herrenlos. Tote Gegenstände an einem toten Ort.
    Ich blieb vor der Scheune stehen und sah mich um. Der Hof schien keine klar umrissenen Grenzen zu haben – keine Mauern, Zäune oder Hecken   –, er verschmolz auf beklemmende Weise einfach so mit der umliegenden Moorlandschaft. Und das Moor war gewaltig. Alles schien sich unendlich fortzusetzen – der Himmel, die Wiesen, die Berge, die Farben. Überall, wo ich hinguckte, in jede Richtung, sah ich nur kilometerweit Leere.
    Sie war endlos und ungeheuer und gab mir das Gefühl, ganz klein zu sein.
    |131| »Du bist ganz klein«, ermahnte ich mich.
    Albern vor mich hin lächelnd trat ich in die Scheune und sah mich um. Es

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