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The Road of the Dead

The Road of the Dead

Titel: The Road of the Dead Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kevin Brooks
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atemlos zu Jess.
    »Es ist nicht so weit, wie es scheint«, antwortete sie. »Wir sind höchstens achthundert Meter gelaufen.«
    Das fand ich schwer zu glauben – ich kam mir vor wie mindestens tausend Kilometer von allem entfernt. Allerdings war ich es auch nicht gewohnt, durch Wälder zu wandern und Berge hinaufzuklettern. Ich kannte ja eher Straßen, Busse, U-Bahnen und Züge.
    Jess sagte: »Du hast meine Frage wegen Cole nicht beantwortet.«
    »Welche Frage?«
    »Ob er im Dorf auf den Putz hauen will. Hat er das vor?«
    »Wahrscheinlich«, sagte ich. »Nicht dass man da groß was tun muss. Du hast doch mitgekriegt, was gestern an der Tankstelle passiert ist?«
    »Klar«, sagte sie grinsend. »Das hab ich gesehen.« Sie schaute zu mir herüber. »Weißt du, was Onkel Reason gesagt hat, als Big Davy zu Boden ging?«
    »Reason?«
    »Mein Onkel. Ich hab dir von ihm erzählt. Er stand neben mir, als du uns am Camp gesehen hast.«
    »Er heißt Reason? Vernunft?«
    »Ja.«
    »Ach so.« Ich sah sie an. »Und wer waren die andern, die bei dir standen? Das kleine Mädchen und das Baby?«
    »Das Mädchen ist meine jüngere Schwester   – Freya.«
    |141| »Und was ist mit dem Baby?«
    »Was soll damit sein?« Jess warf mir einen schelmischen Blick zu. »Was ist los, warum schaust du mich so an?«
    »Wie denn?«
    »So eben.« Sie zog ein Gesicht, das, glaube ich, mich darstellen sollte, mit einem verstörten Ausdruck. Dann lächelte sie und sagte: »Hast du gedacht, es wär meins?«
    »Ich hab
gar
nichts gedacht.«
    »Lügner«, sagte sie, immer noch lächelnd. »Egal, als mein Onkel jedenfalls sah, wie dein Bruder Big Davy niederschlug, hat er zu mir gesagt: ›Der da ist ein Ford. Den Punch hab ich schon mal gesehen. Ganz klar ein Ford, das erkenn ich gleich.«
    »Echt?«
    Sie nickte. »Mein Onkel hat auch ein bisschen geboxt, als er jünger war. Er hat einige von den Kämpfen deines Vaters gesehen. Ich glaube, er hat mal viel Geld gewonnen, als er auf ihn gesetzt hat. Ich bin sicher, er hat deinen Dad immer bewundert.«
    »Was hält er heute von ihm?«
    »Wie meinst du das?«
    »Na ja, du weißt schon   …«
    »Was?«
    »Er hat eine Nicht-Zigeunerin geheiratet   …« Ich zuckte unsicher die Schultern. »Du weißt doch, wie das ist. Als Dad Mum geheiratet und ein Haus gekauft hat und so, da wollten viele Zigeuner nichts mehr mit ihm zu tun haben. Es gibt sogar ein paar Verwandte, die bis heute nicht mit ihm reden.«
    Jess schwieg eine Weile. Ich glaube nicht, dass sie verlegen war oder so, aber natürlich war es heikel, über so etwas zu sprechen. Manche Zigeuner finden es schlimm, wenn jemand in eine Nicht-Zigeuner-Familie |142| einheiratet. Sie mögen keine Gadje, wie manche von ihnen uns nennen. Sie finden uns schmutzig, korrupt und unrein. Und ich kann ihnen das nicht mal verübeln – die meisten von uns sind es wahrscheinlich wirklich. Mir selbst ist es ja egal, was jemand ist – Kesselflicker, Schneider, Soldat oder Seemann, reich oder arm, Bettler oder Dieb. Ich sehe einfach nicht ein, was das für einen Unterschied macht. Wenn jemand in Ordnung ist, dann ist er in Ordnung, wenn nicht, dann nicht. Das Problem ist nur, dass andere Leute das nicht so sehen. Sie sehen nicht den einzelnen Menschen, sondern die Gruppe, zu der er gehört. Sie sehen einen Zigeuner und Zigeuner
mögen
sie nun mal nicht. Sie sehen einen Gadje und Gadje
mögen
sie nun mal nicht. Wenn sie dann einen Zigeuner sehen, der mit einer Gadje verheiratet ist, mögen sie beide gleich
doppelt
nicht.
    »Stimmt es, was sie über deinen Dad sagen?«, fragte mich Jess.
    »Wieso – was sagen sie denn?«
    »Er hat bei einem Bare-Knuckle-Fight einen Mann getötet, oder?«
    »Ja   …«
    »Einen der Docherty-Brüder?«
    Ich nickte. »Den jüngsten – Tam Docherty. Es war ein fairer Kampf. Da lief nichts verkehrt. Dad hat nur einen guten Punch gelandet, Tam ist zu Boden gegangen und dabei mit dem Kopf gegen einen Stein geschlagen. Niemand hat Dad dafür die Schuld gegeben. Wenn die Cops nicht da gewesen wären, wär nichts passiert.« Ich schloss die Augen und erinnerte mich an alles, als ob es gestern gewesen wäre – der mitternächtliche Anruf, die nur halb wahrgenommenen Stimmen, dann Cole, der in mein Zimmer kam, um es mir zu erklären, während Mum weinte und schrie |143| und Dad verfluchte, dass er seinem lächerlichen Stolz nachgegeben hatte. Er hatte gar nicht gegen Tam Docherty kämpfen
wollen
. Ohnehin hatte er sich längst zurückgezogen.

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