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The Road of the Dead

The Road of the Dead

Titel: The Road of the Dead Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kevin Brooks
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war hier schon einmal gewesen   …
    Ich wusste es.
    Ich war in der Scheune auf dem Hof von Abbie und Vince.
    Ich
wusste
es.
    Nicht dass es einen großen Unterschied machte; ich hatte die ganze Zeit gewusst, wo ich mich befand. Ich war an einen Pfeiler gefesselt –
da
befand ich mich. Und nachdem ich die nächsten zehn Minuten damit zugebracht hatte, die Arme zu verrenken, die Finger zu verbiegen und mir die Haut an meinen schmerzenden Handgelenken aufzureißen, wusste ich, dass ich auch nirgendwo |257| anders hinkommen würde. Der Pfeiler war fest im Boden verschraubt. Er reichte bis ganz nach oben zum Dach. Er war mindestens fünfzehn mal fünfzehn Zentimeter dick und so stabil wie ein Eisenträger. Ich konnte meine Hände nicht sehen, doch ich vermutete, dass sie mit Plastikhandschellen gefesselt waren. In Polizei-Version wahrscheinlich, eine kleine Gefälligkeit von Mr Bowerman.
    Jeder Versuch zu fliehen war nur eine Verschwendung von Zeit und Kraft.
    Also mühte ich mich erst gar nicht ab.
    Stattdessen schloss ich die Augen, schaltete meinen Verstand aus und verwendete all meine Energie darauf, jede Zelle im Körper zu öffnen. Ich mochte vielleicht nicht
wissen
, ob Cole noch am Leben war, aber falls er noch lebte, dann würde ich ihn auch finden. Wo immer er war, ich würde ihn finden.
    Ich musste ihn finden.
    Es war das Einzige, was ich tun konnte.
     
    Ich weiß nicht, wie lange es dauerte – ich war mir der Zeit nicht bewusst, die verging   –, doch als schließlich eine Empfindung in mir aufstieg und ich spürte, wie sich Cole in mir rührte, war die Sonne aufgegangen und die staubige Luft in der Scheune vom Licht eines goldenen Morgens gesprenkelt.

|258| Sechzehn
    C ole wacht gerade auf. Er ist lange bewusstlos gewesen und braucht eine Weile, bis er wieder zu Sinnen kommt. Er weiß, er ist draußen, spürt die frische Luft auf der Haut. Es ist kalt. Sehr kalt. Kalt, feucht und erdig. Sein Körper ist ganz steif, er hat rasende Schmerzen, er spürt eine Übelkeit, die er als Angst erkennt, es ist die einzige Angst, die er überhaupt kennt – seine Angst um mich.
    »Ruben?«, fragt er schwach. »Ruben   … wo bist du?«
    Ich bin hier
, sage ich zu ihm.
Ich bin hier   …
    Aber er kann mich nicht hören. Er ist kilometerweit weg. Er kann mich nicht spüren. Das Einzige, was er spürt, sind die Schmerzen, die Kälte und die Angst. Mit den beiden ersten kommt er klar, aber die Angst ist etwas anderes. Er erträgt sie nicht. Er will sie nicht. Sie tut ihm nicht gut.
    Also schließt er die Augen und löscht sie aus.
    Er liegt eine Weile ruhig da, zieht Bilanz, prüft den Schaden. Die Taschen sind ihm geleert worden, keine Schusswaffen, kein Schnappmesser, keine Brieftasche, nichts. Seine Kleidung ist schmutzig und zerrissen. An der rechten Hand ist ein Finger gebrochen und am rechten Handgelenk gibt es einen Einriss der |259| Haut. Die linke Hand ist in Ordnung. Übel geprellte Beine. Füße okay. Zwei, vielleicht drei gebrochene Rippen. Ausgerenkte Schulter. Gebrochene Nase, ein paar eingeschlagene Zähne, gespaltene Lippe. Hässliche Platzwunde über dem rechten Auge. Geschwollene Backe, geschwollene Augen, geschwollener Kopf. Beulen, Kratzer, blaue Flecken, weitere Platzwunden   …
    Er wird überleben.
    Er schlägt die Augen auf und blinzelt in die blasse Morgensonne. Er liegt auf dem Rücken, schaut in den Himmel. Er sieht Gras, rote Erde, eine Assel. Sein Hinterkopf ist feucht.
    Er liegt in einem Graben.
    Er lebt.
    Ich versuche wieder, nach ihm zu rufen –
Cole   … Cole   … hörst
du mich?
Aber er antwortet immer noch nicht. Er spürt jetzt die Kälte, die anhaltende Feuchtigkeit, die in seine schmerzenden Knochen zieht, und er spürt etwas gegen die Brust drücken   … und dann plötzlich spürt er nur noch das pulsierende Blut in seinem Herzen, als ein drohender grauer Schatten über ihn fällt.
    Irgendjemand ist da am Grabenrand, jemand steht über ihm, jemand kauert sich nieder   …
    Cole versuchte sich aufzusetzen und gegen den Schmerz in den Rippen anzukämpfen, aber es klappt nicht. Der Schmerz schneidet in den Körper wie ein Messer und wirft ihn zurück in den Dreck. Das Einzige, was er tun kann, ist in das kauernde Gesicht aufschauen und nehmen, was kommt.
     
    »Alles okay?«, sagt das Gesicht. »Verdammt, schau dich mal an. Mist.«
    |260| Die Sonne scheint in Coles Augen, deshalb sieht er nicht, wer es ist, aber ich erkenne die Stimme sofort.
    Alles in Ordnung, Cole
,

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