The Sign Bd. 1 Nur zu deiner Sicherheit
erkundigte er sich.
Ich nickte, schniefte und wischte mir mit dem Ärmel über die Nase. Er griff in seine Tasche und holte ein Taschentuch raus.
»Du erlaubst doch, dass ich mich revanchiere.«
Ich nahm es entgegen und wischte mir über die Augen. »Danke. Ich fühle mich ganz schön doof … dass ich heule … du weißt schon.«
»Ja, ich weiß, aber das ist völlig in Ordnung.« Er holte noch ein Taschentuch raus, da vom ersten nicht viel mehr als ein paar feuchte Fetzen übrig waren. »Hier.« Er gab es mir in die Hand.
Und auf einmal, völlig aus dem Nichts, fragte ich ihn: »Ist Wei eigentlich deine Freundin?« Ich wäre am liebsten tot umgefallen. Ich hatte keine Ahnung, wieso mir diese dämliche Frage rausgeplatzt war. Das war definitiv nicht mein Tag.
Sal fing an zu lachen. »Wei? Meine Freundin?«
»Na ja, warum nicht?« Ich sah ihn finster an, während mir eine Gänsehaut über den Arm kroch. Ich fragte mich, ob wohl alle unsere Gespräche auf meinem Berg damit endeten, dass er mich auslachte oder ich sauer wurde.
Er hörte auf zu lachen. »Tut mir leid, aber Wei und ich, wir kennen uns schon, seit wir beide Babys waren. Sie ist für mich so was wie eine Schwester. Unsere Eltern waren befreundet, wir sind praktisch miteinander groß geworden. Und, na ja, wo wir schon bei solchen Fragen sind …« Er sah konzentriert auf den Boden und riss ein paar Grasbüschel aus. »Ist Derek dein Freund?«
»Derek?« Jetzt war ich es, die schmunzeln musste. »Nie im Leben. Er und Mike und ich sind Freunde, seit wir im Kindergarten waren. Wie kommst du auf die Idee, er könnte mein Freund sein?«
»Er spricht die ganze Zeit nur über dich.« Er hielt seinen Blick immer noch auf den Rasen gesenkt. »So als wärst du, äh … jemand Besonderes.«
Ich schüttelte den Kopf. »Ich wusste es. Dieser Pferdeanhänger hat für ihn doch eine größere Bedeutung.«
»Häh?«
»An dem Tag, an dem ich auch dich getroffen habe, hat Derek mir diesen Charm für mein Halskettchen geschenkt.« Ich zeigte ihm den Anhänger. Sal beugte sich vor, um ihn genauer betrachten zu können. »Er verhielt sich ganz komisch, nicht wie Derek das sonst tut. Ich dachte mir schon, dass er sich vielleicht in mich verguckt hat, aber ich hab ihm gleich klargemacht, dass ein Freund das Letzte ist, was ich will.«
»Oh …« Plötzlich verkrampfte Sal sich.
Erst in dem Moment fiel mir auf, was ich da gerade gesagt hatte. Ich wusste nicht, wie ich ihm das erklären sollte, wie ich ihm klarmachen konnte, was ich wollte, ohne wie der letzte Idiot dazustehen. Der Punkt war nämlich, dass ich keinen Schimmer hatte, was ich wirklich wollte, zumindest jetzt nicht mehr. Ich fühlte mich in seiner Gegenwart so hin und her gerissen. Ich wollte kein Sex-Teen sein, aber ich wollte Sal auch nicht zurückweisen. Noch ehe ich es überhaupt hatte, bestimmte das XVI -Tattoo schon über mein Leben und ich wusste nicht, was ich dagegen tun konnte.
Die Schmetterlinge in meinem Bauch verwandelten sich in schwere Gewichte, die zu Boden sanken, und ich gab mir redlich Mühe, jetzt nicht das Falsche zu sagen. »Sal … Ich hatte noch nie einen Freund. Und die ganzen Leute, die ich kenne, die einen Freund haben, machen sich vollkommen zum Narren oder tun sich gegenseitig weh. So wie Ginnie und Ed, ihr … ihr Freund.« Sal wirkte überrascht, und mir wurde klar, dass er von Ed nichts wissen konnte. »Ach, ich rede wirres Zeug. Sieh mal, die Medien geben einem vor, wie man sich zu verhalten hat, und im Gesundheits- und Sozialkundeunterricht lernt man, dass, wenn Jungs und Mädchen … und dann erwartet man, dass dieses oder jenes passiert und …« Ich laberte weiter, ohne dass das Gesagte einen Sinn ergeben hätte. Genau wie Dee, wenn sie nicht ins Bett wollte und einfach weiterredete und weiterredete.
Ich fummelte wieder an den Anhängern rum und hielt mich krampfhaft an dem W fest. Dann hörte ich auf zu labern, holte tief Luft und sah Sal direkt in seine tiefdunklen Augen. »Ich habe Angst davor, einen Freund zu haben. Ich weiß nicht, wie man sich verhält und wie man nicht vergisst, man selbst zu sein. Und ich hab Angst davor, was es bedeutet, einem Jungen ganz nah zu sein, einem Jungen, den ich vielleicht sogar richtig gern habe.«
Da war sie nun also: die Wahrheit.
Er nahm meine Hand und betrachtete sie eine gefühlte Ewigkeit. »Ja, es ist wirklich beängstigend.« Er blickte hoch und sah mir in die Augen. »Aber ich befürchte, du kannst dich nicht ewig
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