The Sign Bd. 1 Nur zu deiner Sicherheit
davor verschließen, Nina.«
Dann beugte er sich zu mir und küsste mich. Direkt auf den Mund. Mein erster Kuss.
Er war so zärtlich, seine Lippen so weich, ich hatte das Gefühl, zu schweben. Und wie aus dem Nichts fing ich wieder an zu heulen. Er zog mich ganz dicht an sich und hielt mich fest. Ich habe mich noch nie in meinem Leben so durcheinander, so glücklich, so verängstigt und so geborgen gefühlt wie in diesem Moment. Zum allerersten Mal in meinem Leben traten die Ängste, die mein bisheriges Dasein bestimmt hatten, in den Hintergrund, ich fühlte mich ruhiger, leichter. Ich wusste, sie würden zurückkommen, doch zumindest hatte ich von der Freiheit gekostet. Ich ließ mich hineinsinken in dieses Gefühl, wie in eine fluffige weiße Wolke an einem sonnigen Tag.
Wir saßen lange Zeit so da – eng umschlungen, ohne ein Wort zu reden. Bis schließlich eine von den Parkwächterinnen, die gerade auf dem Ped-Transit ihre Runden zog, langsamer wurde und uns einen seltsamen Blick zuwarf. Da stand Sal auf und half mir hoch, woraufhin sie weiterfuhr.
»Ich geh jetzt besser«, sagte ich.
Er begleitete mich den ganzen Weg nach Hause. Keiner von uns sprach ein Wort, aber meine Hand ließ er nicht los. Ich hatte Angst, dass, wenn ich etwas sagte, der Zauber gebrochen würde.
Als wir bei dem Apartmenthaus ankamen, berührte er ein letztes Mal meine Lippen mit den seinen. »Bis morgen.«
XVII
Am nächsten Tag war eigentlich alles wie immer, nur dass ich nicht aufhören konnte, an den Kuss mit Sal zu denken und daran, wie es wohl sein würde, ihn wiederzusehen. Ich war abwechselnd überglücklich und zu Tode verängstigt. Er hatte die meiste Zeit in einem anderen Gebäude Unterricht, weshalb wir uns erst nach der Schule trafen, und dann auch nur für eine Minute und in Gegenwart von allen anderen.
»Hey, ich muss mich jetzt beeilen. John und ich arbeiten gerade an einem Multitrans für irgendein hohes Tier bei Infinity Corp.« Sal drückte kurz meine Hand, als gerade niemand guckte. Ich glaub, keiner von uns beiden wusste so genau, wie wir uns in Gegenwart unserer Freunde verhalten sollten. »Ich ruf dich später an.« Er löste sich von mir, und Derek und Mike winkten mir zum Abschied zu, als ich mich auf den Weg machte, um Dee abzuholen.
Erst war ich froh, dass er kein großes Theater gemacht hatte. Aber was, wenn ihm dieser Kuss gar nichts bedeutet hatte? Er gehörte einem oberen Rang an – er würde sich doch nie mit einer aus den unteren Rängen abgeben, nicht mit einem unscheinbaren Mädchen wie mir. Unsicherheit ergriff von mir Besitz, und schnell war ich gefangen in einem Strudel von Überlegungen, was es alles an mir auszusetzen gab, als Wei mich unterbrach.
»Hi, Nina.« Sie trug das übliche Lächeln im Gesicht. Sie marschierte neben mir her. »Was hast du vor?«
»Hey. Ich bin auf dem Weg zur Dickens, um meine kleine Schwester abzuholen.«
»Na, ultra! Das liegt auf meinem Weg, ich begleite dich. Lass uns aber langsam gehen; ich muss üben, sobald ich zu Hause bin.«
»Was musst du denn üben?« Ich hatte mitgekriegt, wie Sal Derek erzählt hatte, sie sei irgendeine Kampfsportexpertin.
»Klavier.« Sie rümpfte die Nase. »Ich liebe und hasse es gleichermaßen. An manchen Tagen ist es einfach nur eine Schufterei. Spielst du ein Instrument?«
»Äh, ich hab kein musikalisches Talent.« Es war mir zu peinlich, zuzugeben, dass wir es uns nie hatten leisten können, Musik- oder Tanzunterricht zu nehmen. Keiner unterhalb von Rang vier konnte das. Ich musste ja schon von Glück sagen, dass Ginnie das Geld zusammengekratzt hatte, damit ich Kunstunterricht bekommen konnte. Ich weiß genau, dass das immer eine große Belastung für sie war.
»Aber du bist in Kunst, nicht? Ich hab gesehen, wie du bei Mr Tobin in den Unterricht gegangen bist. Wann erhältst du denn deine Ernennung? Ich hab meine letzten Sommer gekriegt. Da hab ich auch das hier bekommen.« Sie deutete auf ihr XVI -Tattoo. »Und dann … hab ich mir das hier machen lassen.« Sie grinste und drehte ihre Hand hin und her, damit ich die tätowierte Distel bewundern konnte, die sich um die XVI herumwand und dann weiter über ihren Handrücken zog.
»Das ist echt wunderschön.« Selbst wenn ich irgendwann meine Kreativ-Auszeichnung erhielt, war mir klar, dass ich mir nie ein solches Tattoo würde leisten können.
»Wenn die XVI verblasst, lass ich mich weiter tätowieren. Und irgendwann wird keiner mehr sagen können, dass sie mal da war.
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