The Stand. Das letze Gefecht
zu leben lohnt. Hast du schon das Abendessen für deine Gefangenen geholt, Nick?«
Nick schüttelte den Kopf.
»Das solltest du aber. Warum nimmst du nicht Johns Auto?«
»Ich kann nicht fahren«, schrieb Nick. »Trotzdem danke. Ich werde zum Truck Stop laufen. Es ist nicht weit, und morgen sehe ich nach Ihnen, wenn es recht ist.«
»Ja«, sagte sie. »Gut.«
Er stand auf und deutete streng auf die Teetasse.
»Jeden Tropfen«, versprach sie.
Er war schon halb aus der Tür, als er ihre zögernde Berührung am Arm spürte.
»John...«, sagte sie, brach ab und zwang sich, weiterzusprechen.
»Ich hoffe, sie... haben ihn in die Leichenhalle nach Curtis gebracht. Von dort aus haben Johns und meine Familie immer ihre Toten bestattet. Glauben Sie, daß man ihn dort hingebracht hat?«
Nick nickte. Tränen liefen ihr über die Wangen, und sie fing wieder an zu schluchzen.
Als er sich an diesem Abend von ihr verabschiedet hatte, ging er direkt zum Truck Stop. Ein Schild GESCHLOSSEN hing schief im Fenster. Er war um das Haus herum zum Wohnwagen gegangen, aber da war ebenfalls alles dunkel gewesen. Unter diesen Umständen hielt er einen kleinen Einbruch für gerechtfertigt; das Geld in Sheriff Bakers Kasse würde reichen, den Schaden zu ersetzen.
Er schlug die Scheibe am Türgriff des Restaurants ein und ging hinein. Selbst bei eingeschalteter Beleuchtung war es unheimlich hier drin; die Musikbox war dunkel und tot, niemand stand am Billardtisch oder den Videospielen, die Nischen waren leer, die Hocker nicht besetzt. Der Grill war mit der Haube abgedeckt. Nick ging nach hinten und briet auf dem Gasherd ein paar Hamburger, die er in eine Plastiktüte tat. Dazu eine Flasche Milch und einen halben Apfelkuchen, der unter einer Plastikglocke auf dem Tresen stand. Dann ging er wieder ins Gefängnis, nachdem er einen Zettel auf den Tresen gelegt hatte, wer hier eingedrungen war und warum.
Vince Hogan war tot. Er lag zwischen schmelzendem Eis und nassen Handtüchern auf dem Boden seiner Zelle. Er hatte im Todeskampf die Hände an den Hals gelegt, als hätte er sich gegen einen unsichtbaren Würger gewehrt. Seine Fingerspitzen waren blutig. Fliegen ließen sich auf ihm nieder und summten wieder davon. Sein Hals war so schwarz und geschwollen wie ein Luftballon, den ein übermütiges Kind bis zum Zerplatzen aufgepumpt hatte.
»Läßt du uns jetzt raus?« fragte Mike Childress. »Er ist tot, du verdammter Taubstummer, bist du nun zufrieden? Ist das deine Rache? Und ihn hat's jetzt auch erwischt.« Er deutete auf Billy Warner.
Billy Warners Gesicht war entsetzt. Er hatte hektische rote Flecken auf Hals und Wangen; die Ärmel seines Baumwollhemds, an denen er sich oft die Nase abgewischt hatte, waren rotzverkrustet und steif.
»Das ist eine Lüüge!« sang er hysterisch. »Eine Lüge, eine Lüge, eine gott-ver-damm-te Lüüge! Das ist eine Lü...« Er fing plötzlich an zu niesen, so heftig, daß er sich zusammenkrümmte und eine volle Ladung Speichel und Schleim ve rsprühte.
»Siehst du?« fragte Mike. »Bist du jetzt zufrieden, du verdammter taubstummer Schwachkopf? Laß mich raus! Ihn kannst du behalten, wenn du willst, aber mich nicht. Das ist Mord. Nichts anderes, kaltblütiger Mord!«
Nick schüttelte den Kopf, und Mike bekam einen Wutanfall. Er warf sich gegen das Gitter seiner Zelle, verletzte sich das Gesicht und schlug sich die Knöchel beider Hände blutig. Er sah Nick mit aufquellenden Augen an, während er sich nochmals die Stirn aufschlug.
Nick wartete, bis Mike sich ausgetobt hatte, dann schob er mit dem Besenstiel das Essen unter der Tür durch. Billy Warner glotzte seinen Teller einen Augenblick stumpfsinnig an, dann fing er an zu essen.
Mike warf sein Glas Milch gegen die Gitterstäbe. Es zerplatzte, die Milch spritzte in alle Richtungen. Er warf seine beiden Hamburger gegen die mit Sprüchen gezierte hintere Wand der Zelle. Einer blieb in einem Flecken Senf, Ketchup und Tunke kleben, der auf groteske Weise fröhlich aussah, wie ein Gemälde von Jackson Pollock. Er stampfte auf seinem Stück Apfelkuchen herum und zermatschte es. Apfelstücke flogen überallhin. Der weiße Plastikteller zersplitterte.
»Ich bin im Hungerstreik!« brüllte er. »Im verdammten Hungerstreik!
Ich esse nichts! Eher wirst du mir den Pimmel lutschen, bevor ich runterwürge, was du angeschleppt hast, du gottverdammtes taubstummes, schwachsinniges Arschloch. Du wirst...«
Nick wandte sich ab, und sofort trat Stille ein. Er
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