The Stand. Das letze Gefecht
unebenmäßige Täler im Beton, die Erhebung einer alten Zigarettenkippe, den Berg einer zusammengeknüllten Metallfolie - und zu guter Letzt sein Bic. Mit einem inneren Seufzer der Erleichterung nahm er es fest in die Hand, stand auf und ging weiter.
Larry hatte sich allmählich wieder unter Kontrolle, als er mit dem Fuss gegen etwas Steifes und Unnachgiebiges stieß. Er stieß eine Art inhalierenden Schrei aus und taumelte zwei Schritte rückwärts. Er zwang sich, ruhig zu bleiben, während er das Bic-Feuerzeug aus der Tasche holte und anzündete. Die Flamme flackerte irre in seinem zitternden Griff.
Er war auf die Hand eines Soldaten getreten. Dieser saß mit dem Rücken an die Tunnelwand gelehnt und streckte die Beine über den Fußgängerweg aus, ein grausiger Wachposten, der den Durchgang versperrte. Er starrte Larry aus glasigen Augen an. Seine Lippen waren von den Zähnen gefault, er schien zu grinsen. Ein Springmesser ragte keck aus seinem Hals.
Das Feuerzeug in Larrys Hand wurde warm. Er ließ es ausgehen. Er leckte sich die Lippen, klammerte sich an das Geländer und zwang sich dazu weiter' zugehen, bis er mit der Schuhspitze wieder gegen die Hand des toten Soldaten stieß. Mit einem übertriebenen langen Schritt stieg er über ihn hinweg, und plötzlich überkam ihn eine Art alptraumhafte Gewißheit. Er würde das Scharren der Stiefel hören, wenn der Soldat sich bewegte, und dann würde der Soldat ihn mit kaltem Griff am Bein packen.
In schlurfendem Trab lief Larry noch zehn Schritte und blieb dann stehen, weil er wußte, wenn er nicht stehenblieb, würde die Panik wieder die Oberhand gewinnen, und er würde, von einem schrecklichen Regiment Echos verfolgt, blind weiterlaufen. Als er merkte, daß er sich wieder einigermaßen unter Kontrolle hatte, ging er weiter. Aber jetzt war es noch schlimmer; die Zehen schrumpften ihm in den Schuhen zusammen, er fürchtete, jeden Moment wieder über eine Leiche zu stolpern... und gleich darauf geschah es auch.
Er stöhnte und holte das Feuerzeug wieder aus der Tasche. Diesmal war es noch schlimmer. Die Leiche, die er mit dem Fuß angestoßen hatte, war die eines alten Mannes im blauen Anzug. Die Schirmmütze aus schwarzer Seide war ihm vom kahlen Schädel auf den Schoß gerutscht. Am Aufschlag trug er einen sechszackigen silbernen Stern. Hinter ihm lag noch ein halbes Dutzend Leichen: zwei Frauen, ein Mann in mittlerem Alter, eine Frau von vielleicht Ende Siebzig und zwei halbwüchsige Jungen.
Das Feuerzeug wurde so heiß, daß er es nicht mehr halten konnte. Er machte es aus und ließ es in die Hosentasche gleiten, wo es wie warme Kohle an seinem Bein glomm. Diese Leute waren ebensowenig wie der Soldat von Capt ain Trips dahingerafft worden. Larry hatte das Blut gesehen, die zerrissene Kleidung, die zersplitterten Fliesen, die Einschußlöcher. Sie waren niedergeschossen worden. Larry erinnerte sich an die Gerüchte, dass die Ausfallstraßen von Manhattan Island von Soldaten abgesperrt worden seien. Er hatte nicht gewußt, ob er das glauben sollte; er hatte im Laufe des allgemeinen Zusammenbruchs in der letzten Woche so viele Gerüchte gehört.
Die Situation hier war leicht zu rekonstruieren. Sie waren im Tunnel erwischt worden, aber nicht so krank gewesen, daß sie nicht mehr gehen konnten. Sie waren aus den Fahrzeugen ausgestiegen und zu Fuß in Richtung Jersey gegangen, auf dem Gehweg, genau wie er. Ein Militärkommando hatte gewartet, eine Maschinengewehrstellung, irgendwas in der Art.
Schwitzend stand Larry da und versuchte, einen Entschluß zu fassen. Die undurchdringliche Dunkelheit bot die perfekte Bühne, auf der seine Gedanken ihre Phantasien inszenieren konnten. Er sah: grimmig blickende Soldaten in virensicheren Anzügen hinter einem Maschinengewehr mit Infrarot -Zieleinrichtungen sitzen, deren Aufgabe es war, jeden zu erschießen, der versuchte, durch den Tunnel zu gelangen; einen einzelnen Soldaten als Selbstmordkommando, der mit einer Infrarotbrille vor den Augen und einem Messer zwischen den Zähnen auf ihn zukroch; zwei Soldaten, die stumm einen Mörser mit einer Giftgasgranate luden. Und doch konnte er sich nicht zur Umkehr entschließen: Er war ganz sicher, daß seine Vorstellungen Hirngespinste waren, und der Gedanke, wieder zurückzugehen, war unerträglich. Bestimmt waren die Soldaten jetzt fort. Der tote Soldat, über den er gestiegen war, schien das zu bestätigen...
Aber was ihm wirklich Sorgen machte, schätzte er, waren die
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