The Stand. Das letze Gefecht
allein...«
»Nein.« Er hielt sie fest. »Habe ich dich verletzt? Bist... bist du getroffen ?«
»Nein... ich habe den Luftzug gespürt... eine sauste so nahe vorbei, daß ich den Luftzug gespürt habe... und die Splitter... ich glaube, von den Fliesen... in meinem Gesicht... haben mir das Gesicht...«
»Herrgott, Rita, das wußte ich nicht. Ich wäre fast ausgeflippt. Die Dunkelheit. Und ich habe mein Feuerzeug verloren... Du hättest rufen sollen. Ich hätte dich töten können.« Jetzt wurde ihm erst klar, daß das stimmte. » Ich hätte dich töten können «, wiederholte er wie eine fassungslose Offenbarung.
»Ich war nicht sicher, ob du es bist. Als du die Einfahrt runtergegangen bist, bin ich in ein Mietshaus. Du bist zurückgekommen und hast gerufen, und ich hätte beinahe... aber ich konnte nicht... als es zu regnen angefangen hatte, sind zwei Männer gekommen... ich glaube, sie haben nach uns gesucht... oder nach mir. Also bin ich geblieben, wo ich war, und als sie weg waren, dachte ich mir, vielleicht sind sie gar nicht weg, vielleicht verstecken sie sich und warten auf mich, darum habe ich mich nicht getraut, wieder rauszugehen, bis ich dachte, du wärst bestimmt schon auf der anderen Seite und ich würde dich nie wiedersehen... also habe ich... ich... Larry, du verläßt mich nicht, ja? Du gehst nicht weg?«
»Nein«, sagte er.
»Ich hatte unrecht, was ich gesagt habe, war verkehrt, du hattest recht, ich hätte dir das mit den Sandalen sagen sollen, ich meine die Schuhe, ich esse, wenn du es sagst... ich... ich... ooooohhooo...«
»Pssst«, sagte er und hielt sie fest. »Jetzt ist alles wieder gut. Alles gut.«
Aber in Gedanken sah er sich in blinder Panik auf sie schießen und dachte, wie leicht hätte eine Kugel ihr den Arm zerschmettern oder den Magen durchbohren können. Plötzlich mußte er dringend auf die Toilette, und seine Zähne wollten klappern. »Wir bleiben hier, bis du wieder gehen kannst. Laß dir Zeit.«
»Da war ein Mann... ich glaube, es war ein Mann... ich bin auf ihn getreten, Larry.« Sie schluckte und schnalzte dabei im Hals. »Ich hätte fast geschrien, aber ich habe es nicht getan, weil ich dachte, daß du es vielleicht nicht bist, sondern einer der beiden Männer. Und als du gerufen hast... das Echo... ich wußte nicht, ob du es warst... oder... oder...«
»Vor uns liegen noch mehr Tote. Kannst du das ertragen?«
»Wenn du bei mir bist. Bitte... wenn du bei mir bist.«
»Ich bin ja bei dir.«
»Dann gehen wir. Ich will hier raus.« Sie drückte sich krampfhaft zitternd an ihn. »Ich habe mir in meinem ganzen Leben noch nichts so sehr gewünscht.«
Er tastete nach ihrem Gesicht und küßte sie, erst die Nase, dann jedes Auge, dann den Mund.
»Danke«, sagte er unterwürfig, hatte aber nicht die leiseste Ahnung, was er meinte. »Danke. Danke.«
»Danke«, wiederholte sie. »O liebster Larry. Du verläßt mich nicht, ja?«
»Nein«, sagte er. »Ich verlasse dich nicht. Sag mir, wenn du bereit bist, Rita, dann gehen wir gemeinsam.«
Als sie sich bereit fühlte, gingen sie.
Sie stiegen über die Leichen hinweg und hatten sich dabei gegenseitig die Arme um die Schultern gelegt wie zwei Betrunkene, die aus einer Kneipe nach Hause stolpern. Ein Stück weiter kamen sie wieder an ein Hindernis. Es war nicht zu erkennen, aber als sie es mit den Händen betastet hatten, meinte Rita, daß es ein hochkant gestelltes Bett sein könnte. Mit ve reinten Kräften hoben sie es über das Geländer. Es krachte mit einem lauten Knall auf eins der Autos, daß sie beide zusammenzuckten und sich aneinander festhielten. Hinter der Stelle, wo das Bett gestanden hatte, lagen weitere drei Leichen, und Larry vermutete, daß es die der Soldaten waren, die die jüdische Familie erschossen hatten. Sie stiegen über sie hinweg und gingen Hand in Hand weiter. Wenig später blieb Rita plötzlich stehen. »Was ist denn los?« fragte Larry. »Wieder ein Hindernis?«
»Nein. Ich kann sehen, Larry. Es ist das Ende des Tunnels!« Er blinzelte und merkte, daß er auch sehen konnte. Es war nur ein ganz schwacher Schimmer, und er war so allmählich gekommen, daß er ihn nicht bemerkt hatte, bis Rita ihn darauf hinwies. Er konnte schon schwach den Schimmer der Fliesen und näher den weißen Fleck von Ritas blassem Gesicht sehen. Links sah er den erstarrten Strom der Automobile.
»Komm weiter«, sagte er triumphierend.
Sechzig Schritte weiter lagen noch mehr Leichen auf dem Fußgängerweg, alles Soldat
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