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The Stand. Das letze Gefecht

The Stand. Das letze Gefecht

Titel: The Stand. Das letze Gefecht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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praktischste Mensch auf der Welt, aber da nur sie hier war, mußte das genügen. Sie mochte ihn immer noch nicht besonders, aber er hatte wenigstens versucht, taktvoll zu sein, und es hatte sich herausgestellt, daß auch er einen gewissen Anstand besaß. Eine ganze Menge sogar, auf seine verschrobene Art. Seit er sie vor vier Tagen aufgesucht hatte, hatte Harold sie in Ruhe gelassen; offenbar respektierte er den Wunsch, um ihre Eltern zu trauern. Aber sie hatte ihn von Zeit zu Zeit gesehen, wenn er mit Roy Brannigans Cadillac ziellos von einem Ort zum ändern fuhr. Und zweimal, als der Wind günstig stand, hatte sie das Klappern seiner Schreibmaschine hören können - die Tatsache, daß es so still war, daß sie diesen Laut hören konnte, obwohl das Haus der Lauders fast eineinhalb Meilen entfernt lag, betonte, daß das Geschehene wirklich war. Es amüsierte sie ein wenig, daß Harold sich zwar einen Cadillac besorgt, aber nicht daran gedacht hatte, seine mechanische Schreibmaschine durch einen dieser leise summenden elektronischen Torpedos zu ersetzen.
    Nicht, daß es ihm jetzt etwas genützt hätte, dachte sie, als sie aufstand und sich den Hosenboden abklopfte. Eis und elektronische Schreibmaschinen gehörten der Vergangenheit an. Das stimmte sie nostalgisch und traurig, und sie fragte sich wieder tief bestürzt, wie so eine Katastrophe innerhalb weniger Wochen hatte eintreten können.
    Ganz gleich, was Harold sagte, es mußte noch andere Menschen geben.
    Wenn das Regierungssystem vorübergehend zusammengebrochen war, mußten sie einfach die verstreuten anderen finden und es neu aufbauen. Es kam ihr nicht in den Sinn zu fragen, warum Regierung - »Autorität« - so unverzichtbar erschien, und ebensowenig fragte sie sich, warum sie sich automatisch für Harold verantwortlich fühlte. Es war einfach so. Eine gewisse Ordnung war notwendig.
    Sie verließ den Park und ging langsam die Main Street hinunter zum Haus der Lauders. Der Tag war schon warm, aber eine frische Brise wehte vom Meer. Sie hatte plötzlich Lust, zum Strand zu gehen, ein Stück Tang zu suchen und daran zu knabbern.
    » Mein Gott, du bist widerlich «, sagte sie laut. Natürlich war sie nicht widerlich; sie war nur schwanger. Das war es. Nächste Woche würde es ein Bermudazwiebel-Sandwich sein. Mit Sahnemeerrettich. Einen Block von Harolds Haus entfernt blieb sie an der Ecke stehen und war erstaunt, wie lange sie nicht mehr an ihren »heiklen Zustand« gedacht hatte. Vorher war ihr der Gedanke ich-binschwanger aus den seltsamsten Anlässen gekommen, wie ein Schlamassel, den sie vergessen hatte wegzuräumen: Ich muß mein blaues Kleid noch vor Freitag zur Reinigung bringen (in ein paar Monaten kann ich es in den Schrank hängen, denn ich-bin-schwanger ); ich denke, ich werde jetzt duschen (in ein paar Monaten wird es aussehen, als wäre ein Wal in der Duschkabine, denn ich-bin-schwanger ); ich müßte einen Ölwechsel machen lassen, bevor die Kolben aus den Zylindern fallen, oder was weiß ich (und ich frage mich, was Johnny drunten bei Citgo wohl sagen würde, wenn er wüßte, ich-bin-schwanger ). Aber vielleicht hatte sie sich inzwischen an den Gedanken gewöhnt. Schließlich war sie schon im dritten Monat, fast ein Drittel des Weges.
    Zum ersten Mal fragte sie sich unbehaglich, wer ihr wohl helfen würde, das Baby zu bekommen.

    Hinter dem Haus der Lauders ertönte das konstante, ratschende Klickklickklickklick eines mechanischen Rasenmähers, und als Frannie um die Ecke bog, sah sie etwas so Komisches, daß nur ihre Überraschung sie daran hinderte, laut loszulachen. Harold, der nur eine enge und knappe blaue Badehose trug, mähte den Rasen. Seine weiße Haut glänzte von Schweiß; die langen Haare wippten ihm gegen den Hals (um Harold Gerechtigkeit widerfahren zu lassen: Er schien sie in nicht allzu ferner Vergangenheit gewaschen zu haben). Die Fettwülste über dem Hosenbund und unter den Schenkelbünden hüpften wild auf und ab. Seine Füße waren bis an die Knöchel grün vom gemähten Gras. Sein Rücken war gerötet, aber sie konnte nicht sagen, ob vor Anstrengung oder leichtem Sonnenbrand.
    Aber Harold mähte nicht nur; er rannte. Der hintere Rasen der Lauders fiel sanft zu einer malerischen, verfallenen Steinmauer hin ab, in der Mitte stand ein achteckiges Gartenhaus. Sie und Amy hatten dort ihre »Teeparties« abgehalten, als sie noch kleine Mädchen waren, fiel Frannie mit einem unerwartet schmerzlichen Anflug von Nostalgie ein - damals,

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