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The Stand. Das letze Gefecht

The Stand. Das letze Gefecht

Titel: The Stand. Das letze Gefecht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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zum Weinen zumute. »Ich brauche meine Mutter«, sagte er schlicht.
    »O Harold...«
    »Als es passierte, als sie starb, dachte ich noch: >Gar nicht so schlimm.<« Er griff nach seinem Glas und sah sie so verstört an, dass es fast beängstigend war. »Ich weiß, wie schrecklich sich das für dich anhören muß. Aber ich wußte nie, wie ich reagieren würde, wenn sie starben. Ich bin ein sehr sensibler Mensch. Deshalb haben die Schwachsinnigen in diesem Haus des Grauens, das die Stadtväter High School zu nennen beliebten, auch immer auf mir rumgehackt. Ich dachte, ich würde nach ihrem Tod vor Kummer fast verrückt werden oder mich mindestens ein Jahr lang verkriechen... meine innere Sonne, sozusagen, würde... würde... und als es geschah, meine Mutter... Amy... mein Vater... da sagte ich mir: >War ja gar nicht so schlimm.< Ich... sie...« Er schlug mit der Faust auf den Tisch, daß sie zusammenzuckte. »Warum kann ich nicht ausdrücken, was ich meine?« schrie er. »Ich konnte immer ausdrücken, was ich meinte! Ein Schriftsteller muß Sprache zurechtschnitzen können, er muß dicht am Empfinden sein. Warum kann ich also nicht ausdrücken, was ich empfinde? «
    »Harold, nicht. Ich weiß, was du empfindest.«
    Er sah sie verblüfft an. »Du weißt...?« Er schüttelte den Kopf. »Nein. Das kannst du nicht wissen.«
    »Weißt du noch, als du bei uns warst? Und ich das Grab ausgehoben habe? Ich war halb wahnsinnig. Ich wußte manchmal kaum noch, was ich tat. Als ich versucht habe, mir Bratkartoffeln zu machen, hätte ich fast das Haus angesteckt. Du kannst ruhig den Rasen mähen, wenn es dir dann besser geht. Aber wenn du dazu nur die Badehose anziehst, bekommst du einen Sonnenbrand. Es fängt schon an«, fügte sie mit einem kritischen Blick auf seine Schultern hinzu. Um höflich zu sein, trank sie noch einen Schluck von der scheußlichen Brause.
    Er wischte sich mit der Hand über den Mund. »Ich mochte sie nicht einmal so gern«, sagte er, »aber ich dachte, man empfindet trotzdem Kummer. Wenn die Blase voll ist, muß man urinieren. Und wenn nahe Verwandte sterben, muß man trauern.«
    Sie nickte, weil sie es seltsam fand, aber passend.
    »Meine Mutter hat immer Amy vorgezogen. Amy war ihr Liebling«, betonte er übertrieben und beinahe mitleidig kindisch. »Und vor meinem Vater hat mir gegraut.«
    Das leuchtete Fran ein. Brad Lauder war ein großer, muskulöser Mann gewesen, Vorarbeiter der Wollspinnerei in Kennebunk. Es leuchtete ein, daß er nicht wußte, was er von diesem sonderbaren fetten Sohn halten sollte, den seine Lenden hervorgebracht hatten.
    »Er nahm mich einmal beiseite«, fuhr Harold fort, »und fragte mich, ob ich ein Schwulenbübchen wäre. Genau den Ausdruck hat er gebraucht. Ich bekam solche Angst, daß ich anfing zu weinen, und er schlug mir ins Gesicht und sagte, wenn ich so ein gottverdammtes Baby wäre, wäre es besser für mich, aus der Stadt zu verschwinden. Und Amy... ich glaube, man kann getrost sagen, daß es Amy scheißegal gewesen wäre. Wenn sie ihre Freundinnen mit nach Hause brachte, war ich nur eine Peinlichkeit. Sie hat mich behandelt wie ein unaufgeräumtes Zimmer.«
    Mit Überwindung trank Fran die Brause leer.
    »Und als sie gestorben waren und ich nichts dabei empfand, dachte ich zunächst, das war's denn. Wenn man trauert, muß man nicht unbedingt mit den Knien schlottern, sagte ich mir. Aber ich habe mir etwas vorgemacht. Ich habe sie jeden Tag mehr vermißt. Besonders meine Mutter. Wenn ich sie nur noch einmal sehen könnte... sie war oft nicht da, wenn ich sie sehen wollte... brauchte... weil sie sich mit Amy beschäftigte, aber sie war nie gemein zu mir. Und als ich heute morgen wieder daran denken mußte, sagte ich mir: >Ich mähe den Rasen. Dann komme ich auf andere Gedanken.< Aber es klappte nicht. Und ich habe immer schneller und schneller gemäht... als könnte ich davor weglaufen... und ich schätze, da bist du hereingeschneit. Habe ich so verrückt ausgesehen, wie mir zumute war, Fran?«
    Sie griff über den Tisch und nahm seine Hand. »Es ist nicht schlimm, so zu empfinden, Harold.«
    »Bist du sicher?« Er sah sie wieder mit diesen großen, kindlichen Augen an.
    »Ja.«
    »Sind wir Freunde?«
    »Ja.«
    »Gott sei Dank«, sagte Harold. »Gott sei Dank.« Seine Hand lag schweißfeucht in ihrer, er schien es zu merken und zog sie widerwillig zurück. »Möchtest du noch Brause?« fragte er unterwürfig.
    Sie lächelte ihr diplomatischstes Lächeln. »Vielleicht

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