The Stand. Das letze Gefecht
als sie noch über das Ende von Charlotte's Web weinen oder verliebt über Chuckie Mayo seufzen konnten, den süßesten Jungen der Schule. Der Rasen der Lauders war so grün und friedlich, daß er irgendwie englisch wirkte, aber jetzt war ein Derwisch in blauer Badehose in diese ländliche Idylle eingedrungen. Sie konnte Harold in einer Weise keuchen hören, die beängstigend war, während er die nordöstliche Ecke bearbeitete, wo der Garten durch eine Reihe von Maulbeerbäumen vom Grundstück der Wilsons getrennt war. Über den T-Griff des Rasenmähers gebeugt, lief Harold den Rasen hinunter. Die Klingen sirrten. Eine grüne Grasfontäne spritzte empor und überzog Harolds Beine. Er hatte den Rasen etwa halb gemäht, übrig blieb ein verschwindendes Viereck mit dem Gartenhaus in der Mitte. Er fuhr am Fuße des Hügels um die Ecke, wurde einen Augenblick von dem Gartenhaus verdeckt und kam wieder zum Vorschein, über die Maschine gebeugt wie ein Formel-Eins-Rennfahrer. Als er halb oben war, sah er sie. Im gleichen Augenblick sagte Frannie schüchtern: »Harold?« Und sie sah, daß er weinte.
»Heh?« sagte - oder vielmehr quiekte - Harold. Sie hatte ihn aus seiner privaten Welt geschreckt und fürchtete, daß er nach der Anstrengung und dem plötzlichen Schreck einen Herzinfarkt bekommen könnte.
Dann lief er zum Haus, seine Füße kickten das Gras hoch, und sie nahm nebenbei dessen frischen Geruch in der Sommerluft wahr. Sie ging ihm einen Schritt nach. »Harold, was ist denn?«
Dann sprang er die Stufen zur Veranda hoch. Die Hintertür ging auf, Harold lief ins Haus, und die Tür schlug krachend hinter ihm zu. In der Stille, die sich danach herniedersenkte, hörte sie den schrillen Schrei einer Elster, und ein kleines Tier raschelte in den Büschen hinter der Steinmauer. Der Rasenmäher stand (verlassen) an der Grenze zwischen gemähtem Gras dahinter und hohem Gras davor, ein Stück vom Gartenhaus entfernt, wo sie und Amy einst ihre Brause aus Tassen einer Barbie-Küche getrunken und dabei vornehm die kleinen Finger abgespreizt hatten.
Frannie blieb eine Weile unentschlossen stehen, schließlich ging sie zur Tür und klopfte. Sie bekam keine Antwort, hörte Harold aber drinnen weinen.
»Harold?«
Keine Antwort. Er weinte immer noch.
Sie betrat den hinteren Flur der Lauders, wo es kühl, dunkel und duftend war - Mrs. Lauders Speisekammer lag links vom Flur, und so weit Frannie zurückdenken konnte, hatte es hier hinten immer angenehm nach getrockneten Äpfeln und Zimt gerochen, als warteten Kuchen nur darauf, gebacken zu werden.
»Harold?«
Sie ging durch den Flur in die Küche, dort saß Harold am Tisch. Er hatte die Hände ins Haar gekrallt, die grünen Füße standen auf dem verblichenen Linoleum, das Mrs. Lauder immer so fleckenlos sauber gehalten hatte.
»Harold, was ist denn los?«
»Geh weg!« schrie er unter Tränen. »Geh weg, du magst mich nicht!«
»Doch, ich mag dich. Du bist in Ordnung, Harold. Vielleicht nicht großartig, aber in Ordnung.« Sie machte eine Pause. »Wenn man die Umstände betrachtet, könnte ich momentan sogar sagen, du bist mir einer der liebsten Menschen auf der ganzen Welt.«
Daraufhin schien Harold noch lauter zu weinen.
»Hast du was zu trinken?«
»Brause«, sagte er. Er schniefte, wischte sich die Nase und sagte, ohne vom Tisch aufzusehen: »Sie ist warm.«
»Logisch. Hast du das Wasser von der Standpumpe geholt?« Wie viele kleine Städte hatte auch Ogunquit noch eine öffentliche Pumpe hinter dem Rathaus, die allerdings seit über vierzig Jahren eher eine Antiquität als eine eigentliche Wasserquelle war. Manchmal fotografierten Touristen sie. Das ist die öffentliche Pumpe in der kleinen Küstenstadt, wo wir unseren Urlaub verbracht haben. Ist das nicht kurios?
»Ja, da hab' ich es geholt.«
Sie schenkte jedem ein Glas ein und setzte sich. Wir sollten das im Gartenhaus trinken, dachte sie. Wir könnten beim Trinken die kleinen Finger in die Luft strecken . »Was ist los, Harold?«
Harold lachte seltsam hysterisch und hob zittrig die Brause an die Lippen. Er trank das Glas leer und stellte es ab. »Los? Was könnte denn los sein?«
»Ich meine, ist es etwas Bestimmtes?« Sie kostete die Brause und mußte sich anstrengen, das Gesicht nicht zu verziehen. Harold mußte das Wasser erst vor kurzem geholt haben, es war gar nicht so warm, aber er hatte den Zucker vergessen.
Schließlich sah er zu ihr auf. Sein Gesicht zeigte Tränenspuren, und ihm war immer noch
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