The Stand. Das letze Gefecht
Unterkünften verbrachten Leute ihren Urlaub? fragte Larry sich verwundert. Warum nicht gleich nach Harlem gehen und die Kinder unter dem Spritzwasser der Hydranten spielen lassen?
»Nicht sehr hübsch, was?« fragte Nadine. Auf beiden Straßenseiten sahen sie die Quintessenz eines schäbigen Strandbadeorts: Tankstellen, Verkaufsstände für fritierte Muscheln, Eisbuden, in fiebernden Pastellfarben gestrichene Motels, Minigolfanlagen. Der Anblick war für Larry in zweifacher Hinsicht schmerzlich. Zum einen beklagte er die triste und schreiende Häßlichkeit der Umgebung und die kranken Hirne der Menschen, die aus diesem großartigen wilden Küstenstreifen einen einzigen riesigen Vergnügungspark für Familien in Kombiwagen gemacht hatten. Aber ein umsichtiger, tieferer Teil von ihm flüsterte von den Leuten, die diesen Ort und diese Straße sonst im Sommer mit Leben erfüllt hatten. Damen in Sonnenhüten und in Shorts, die viel zu eng waren für ihre gewaltigen Hinterteile. College-Studenten in rotschwarzgestreiften Rugbyhemden. Mädchen in knappen Strandanzügen und Riemensandalen. Schreiende kleine Kinder, die Eiscreme im Gesicht verschmiert. Allesamt Amerikaner, und wenn sie in Gruppen auftraten, ging eine gewisse schmutzige, rührende Romantik von ihnen aus - ganz gleich, ob die Gruppe sich in einer Skihütte in Aspen befand oder an der US 1 in Maine ihren prosaischen Sommerritualen folgte. Und jetzt waren all diese Amerikaner fort. Ein Gewittersturm hatte einen Ast von einem Baum gerissen, und dieser hatte die riesige Plastikreklame »Dairy Treet« der Eisbude auf den Parkplatz gestoßen, wo sie wie eine verblichene Narrenkappe lag. Das Gras auf dem Minigolfplatz wucherte. Dieses Straßenstück zwischen Portland und Portsmouth war früher ein siebzig Meilen langer Vergnügungspark gewesen, aber jetzt war es nur noch eine verlassene Geisterbahn.
»Nicht sehr hübsch, nein«, sagte er, »aber es hat einmal uns gehört, Nadine. Einmal hat es uns gehört, auch wenn wir noch nie hier gewesen sind. Und jetzt ist es dahin.«
»Aber nicht für immer«, sagte sie, und er sah sie an, ihr sauberes, strahlendes Gesicht. Ihre Stirn, aus der das erstaunliche Haar mit den weißen Strähnen nach hinten gekämmt war, leuchtete wie eine Lampe. »Ich bin nicht religiös, aber wenn ich es wäre, würde ich das, was geschehen ist, eine Strafe Gottes nennen. In zweihundert Jahren wird alles wieder uns gehören.«
»Diese Lastwagen werden auch in zweihundert Jahren nicht verschwunden sein.«
»Nein, aber die Straße. Die Lastwagen werden mitten auf einem Feld oder in einem Wald stehen, und wo früher ihre Reifen waren, werden Rittersporn und Frauenschuh wachsen. Es werden keine Lastwagen mehr sein. Es werden Relikte sein.«
»Ich glaube, Sie irren sich.«
»Warum sollte ich mich irren?«
»Weil wir andere Menschen suchen«, sagte Larry. »Und warum machen wir das? Was meinen Sie?«
Sie sah ihn besorgt an. »Nun... weil es das Richtige ist«, sagte sie.
»Menschen brauchen andere Menschen. Haben Sie das nicht auch gespürt? Als Sie allein waren?«
»Doch«, sagte Larry. »Wenn wir einander nicht haben, werden wir vor Einsamkeit verrückt. Und wenn wir zusammen sind, dann werden wir verrückt, weil wir zusammen sind. Wenn wir zusammen sind, bauen wir meilenlange Sommerhäuserzeilen und bringen einander samstagsabends in Bars um.« Er lachte. Es war ein kalter, unglücklicher und völlig humorloser Laut, und er hing noch ziemlich lange in der Luft. »Es gibt keine Antwort. Es ist, als würde man im Innern eines Eisblocks stecken. Kommen Sie - Joe dürfte uns schon weit voraus sein.«
Sie stand noch einen Moment breitbeinig über dem Fahrrad und sah mit besorgtem Blick Larrys Rücken nach. Dann folgte sie ihm. Er konnte unmöglich recht haben. Unmöglich . Wenn etwas so Monströses wie das hier passiert war, ohne einen Grund, was hatte dann alles andere für einen Sinn? Warum waren sie dann überhaupt noch am Leben?
Joe war doch nicht so weit vorausgefahren. Sie fanden ihn in einer Einfahrt auf der hinteren Stoßstange eines Ford. Er blätterte in einem Sex-Magazin, das er irgendwo gefunden hatte, und Larry stellte peinlich berührt fest, daß der Junge eine Erektion hatte. Er warf Nadine einen raschen Blick zu, aber sie sah in eine andere Richtung - vielleicht absichtlich.
Als sie die Einfahrt erreichten, fragte Larry: »Kommst du?« Joe legte das Magazin weg, aber statt aufzustehen, stieß er einen gutturalen, fragenden
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