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The Stand. Das letze Gefecht

The Stand. Das letze Gefecht

Titel: The Stand. Das letze Gefecht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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und streckte die Hände nach der Gitarre aus. Joe kniff sofort mißtrauisch die Augen zusammen. Larry vermutete, daß er an das Messer dachte, das im Meer verschwunden war. Der Junge wich zurück und hielt die Gitarre fest.
    »Na gut«, sagte Larry. »Sie gehört dir. Wenn du Unterricht möchtest, komm zu mir.«
    Der Junge johlte vor Freude, lief mit der Gitarre den Strand entlang und hielt sie hoch über den Kopf, wie eine Opfergabe.
    »Er wird sie in Stücke schlagen«, sagte Larry.
    »Nein«, erwiderte Nadine, »das glaube ich nicht.«

    Irgendwann in der Nacht wachte Larry auf und stützte sich auf einen Ellbogen. Nadine war eine in drei Decken gehüllte weibliche Gestalt; sie lag ein Viertel des Weges um das erloschene Feuer herum. Larry direkt gegenüber lag Joe. Auch er war in mehrere Wolldecken gehüllt, aber sein Kopf schaute heraus. Er hatte den Daumen wieder fest in den Mund gekorkt. Die Beine hatte er angezogen, dazwischen lag die zwölfsaitige Gibson. Joes freie Hand lag locker um den Hals des Instruments. Larry betrachtete ihn fasziniert. Er hatte dem Jungen das Messer weggenommen und es ins Wasser geworfen; jetzt hatte der Junge die Gitarre. Gut, sollte er sie haben. Mit einer Gitarre konnte man niemanden erstechen, obwohl sie, wie Larry vermutete, immerhin eine brauchbare stumpfe Waffe abgeben würde. Er schlief wieder ein.

    Als er am nächsten Morgen aufwachte, saß Joe mit der Gitarre im Schoß auf einem Felsen, ließ die nackten Füße in die Gischt baumeln und spielte »Sally's Fresno Blues«. Er war besser geworden. Nadine wachte zwanzig Minuten später auf und lächelte ihn strahlend an. Larry stellte fest, daß sie eine hübsche Frau war, und ihm fiel eine Zeile aus einem Song von Chuck Berry ein: Nadine, honey is that you ?
    Laut sagte er: »Mal sehen, was wir zum Frühstück haben?« 
    Er zündete das Feuer wieder an, und die drei setzten sich dicht darum, um die nächtliche Kälte aus den Knochen zu vertreiben. Nadine machte Haferbrei mit Milchpulver, und sie tranken starken Tee, nach Landstreicherart in einer Konservendose aufgebrüht. 
    Joe hatte beim Essen die Gibson auf dem Schoß liegen. Und zweimal überraschte Larry sich dabei, daß er den Jungen anlächelte. Jemanden, der die Gitarre liebt, kann man nicht hassen, dachte er. 

    Sie fuhren auf der US 1 weiter nach Süden. Joe fuhr mit seinem Rad direkt auf dem Mittelstreifen, manchmal bis zu einer Meile voraus. Als sie ihn einmal einholten, schob er sein Rad am Straßenrand entlang und aß auf amüsante Weise Brombeeren - er warf jede einzelne Beere in die Luft und fing sie dann unfehlbar mit dem Mund auf. Eine Stunde später sahen sie ihn auf einem historischen Gedenkstein des Unabhängigkeitskriegs sitzen und »Jim Dandy« auf der Gitarre spielen.
    Kurz vor elf Uhr kamen sie vor einer kleinen Stadt namens Ogunquit an eine bizarre Straßensperre. Drei orangerote Wagen von der städtischen Müllabfuhr blockierten die Straße in ihrer ganzen Breite. Hinten in einem der Müllbehälter lag die von Krähen angefressene Leiche eines Mannes. Die Hitze der letzten zehn Tage war nicht ohne Wirkung geblieben. Wo der Körper nicht bekleidet war, wimmelten Maden.
    Nadine wandte sich ab. »Wo ist Joe?« fragte sie.
    »Ich weiß nicht. Irgendwo da vorn.«
    »Ich wünschte, ihm wäre der Anblick erspart geblieben. Oder ob er's schon gesehen hat?«
    »Wahrscheinlich«, sagte Larry. Ihm war aufgefallen, daß die Route 1 für eine Hauptverkehrsader reichlich verödet war, seit sie Wells verlassen hatten - nicht mehr als ein Dutzend liegengebliebener Autos unterwegs. Jetzt wurde ihm der Grund dafür klar. Sie hatten die Straße gesperrt. Wahrscheinlich standen auf der anderen Seite der Stadt Hunderte, möglicherweise Tausende Autos. Er wußte, was Nadine für Joe empfand. Es wäre gut gewesen, dem Jungen das zu ersparen.
    »Warum hat man die Straße gesperrt?« fragte sie ihn. »Warum hat man das getan?«
    »Weil die Leute wahrscheinlich versucht haben, ihre Stadt abzuriegeln. Ich könnte mir vorstellen, daß wir am anderen Ende ebenfalls eine Straßensperre finden.«
    »Sind da noch mehr Leichen?«
    Larry stellte das Rad auf den Klappständer und sah nach.
    »Drei«, sagte er.
    »Drei. Ich will sie nicht zu Gesicht kriegen.«
    Er nickte. Sie schoben die Räder an den Autos vorbei und fuhren weiter. Der Highway führte jetzt wieder am Meer entlang, es war kühler. Ferienhäuser standen in langen, tristen Reihen zusammengedrängt. In solchen

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