The Stand. Das letze Gefecht
Wagen. Diesmal bildete der Verkehr an sich das Problem. Hier wurden die Fahrspuren in östliche und westliche Richtung von einem etwa zehn Meter breiten begrünten Mittelstreifen getrennt, und das Coupe hätte es möglicherweise von einer Seite des Highway auf die andere geschafft, aber der Zustand war auf beiden Fahrspuren derselbe: Auf den vier Fahrspuren stand sechsspurig der Verkehr, Stoßstange an Stoßstange und Seite an Seite. Die Standspuren waren so verstopft wie die Fahrbahn. Ein paar Fahrer hatten sogar versucht, auf dem Mittelstreifen selbst weiterzukommen, obwohl dieser uneben und voller Felsbrocken war, die wie Drachenzähne aus dem grauen Boden ragten. Vielleicht hätten hohe Geländewagen mit Allradantrieb hier Erfolg gehabt, aber Müll sah nur einen Friedhof mit schrottreifem, zerschelltem und verbeultem Blech aus Detroit. Es war, als wären alle Fahrer gleichzeitig vom selben Wahnsinn überkommen worden und hätten beschlossen, hier hoch auf der I-70 ein wahnsinniges Carambolagerennen zu veranstalten. Colorado Rocky Mountain High , dachte der Mülleimermann, I've seen it raining Chevies in the sky - ich habe gesehen, wie es Chevies vom Himmel regnete. Er kicherte fast und hielt sich hastig den Mund zu. Wenn Kid ihn jetzt kichern hörte, würde er höchstwahrscheinlich nie wieder kichern.
Kid kam mit seinen hochhackigen Stiefeln zurückgestapft, das sorgfältig coiffierte Haar glänzte. Sein Gesicht war das eines Zwergbasilisken. Wut loderte in den Augen. »Ich lass' das Scheißauto nicht hier«, sagte er. »Kapiert? Auf keinen Fall. Ich lass' es nicht hier. Lauf los, Mülli. Lauf los und sag mir, wie weit der elende Stau geht. Vielleicht ein LKW auf der Straße, ich weiß nicht. Wir können nicht umkehren. Der Straßenrand ist abgestürzt, wir würden runterrutschen. Wenn es ein umgestürzter Lastwagen ist, ist es mir scheißegal. Ich fahr' jedes einzelne Miststück über den Rand hinunter. Das kann ich, und diese Heißescheiße solltest du besser glauben. Beeil dich, Junge.«
Müll widersprach nicht. Er ging vorsichtig, zwischen den liegengebliebenen Autos durch, die Straße entlang. Er war bereit, sich zu ducken und wegzulaufen, sollte Kid schießen. Aber Kid schoß nicht. Als Mülleimer eine seiner Meinung nach sichere Entfernung zurückgelegt hatte (d. h. außer Revolverreichweite), kletterte er auf einen Tanklastzug und sah zurück. Kid, Miniaturpunkt aus der Hölle, auf die Entfernung von einer halben Meile tatsächlich nur noch so groß wie eine Puppe, lehnte mürrisch an der Seite seines Autos und trank. Mülleimermann überlegte, ob er winken sollte, kam aber zum Ergebnis, daß das doch keine so gute Idee war.
Der Mülleimermann begann seinen Fußmarsch an diesem Tag gegen zehn Uhr dreißig MDT vormittags. Er kam langsam voran und mußte häufig über Hauben und Dächer von Autos klettern, so dicht standen sie, und als er das erste TUNNEL-GESPERRT-Schild erreichte, war es bereits Viertel nach drei nachmittags. Er hatte etwa zwölf Meilen zurückgelegt. Zwölf Meilen waren nicht viel - nicht für jemand, der zwanzig Prozent des Landes auf dem Fahrrad durchquert hatte -, aber wenn man die Hindernisse bedachte, waren zwölf Meilen recht eindrucksvoll. Er hätte schon längst umkehren und Kid sagen können, daß es unmöglich war... das heißt, wenn er je die Absicht gehabt hätte, wieder umzukehren. Was er selbstverständlich nicht hatte. Der Mülleimermann hatte nie viel über Geschichte gelesen (nach der Elektroschocktherapie war ihm das Lesen irgendwie schwergefallen), aber er mußte auch nicht wissen, daß in alten Zeiten Könige und Kaiser Überbringer schlechter Nachrichten häufig aus simpler Pikiertheit töten ließen. Was er wußte, war ausreichend: Er hatte genügend von Kid gesehen, um zu wissen, daß er nicht noch mehr sehen wollte.
Er stand da und betrachtete das Schild, schwarze Buchstaben auf orangefarbenem, rautenförmigem, Grund. Es war umgefahren worden und lag unter dem Reifen eines Yugo, der wie der älteste der Welt aussah. TUNNEL GESPERRT. Welcher Tunnel? Er sah voraus, schirmte die Augen ab und dachte, er könnte etwas sehen. Er ging dreihundert Meter weiter, kletterte über Autos, wenn es erforderlich war, und kam zu einem beunruhigenden Wirrwarr verkeilter Fahrzeuge und Leichen. Manche Autos und Lastwagen waren bis auf die Achsen niedergebrannt. Bei vielen handelte es sich um Armeefahrzeuge. Viele Leichen trugen Khaki. Hinter diesem Schauplatz eines Kampfes -
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