The Stand. Das letze Gefecht
er gespürt, was Lucy ihm gerade gesagt hatte. Er hatte es noch einmal versucht, grob und zärtlich zugleich, weil er sie so begehrt hatte. Und einen Augenblick hatte sie sich ihm hingegeben und ihm gezeigt, wie es sein könnte , wenn...
Dann hatte sie sich losgerissen und war von ihm abgerückt, das Gesicht blaß, die Hände vor der Brust verschränkt, den Kopf gesenkt.
Mach das nie wieder, Larry. Bitte nicht. Sonst muß ich Joe nehmen und gehen.
Warum? Warum, Nadine? Warum muß es denn so ein Getue sein? Sie hatte nicht geantwortet. Hatte einfach mit gesenktem Kopf dagestanden, und die braunen, aufgedunsenen Ringe unter ihren Augen hatten sich schon herausgebildet.
Wenn ich es dir sagen könnte, würde ich es tun , sagte sie schließlich und ging fort, ohne sich umzuschauen.
»Ich hatte mal eine Freundin, die sich ein wenig wie sie benommen hat«, sagte Lucy. »In meinem letzten Jahr an der High School. Sie hieß Joline. Joline Majors. Joline war nicht an der High School. Sie war abgegangen, um ihren Freund zu heiraten. Er war bei der Marine. Als sie geheiratet haben, war sie schwanger, aber sie hat das Baby verloren. Ihr Mann war häufig fort und Joline ... die ging gern auf Parties. Zu gern, aber ihr Mann war ein eifersüchtiger Bär. Er sagte ihr, wenn er je rauskriegen würde, daß sie was hinter seinem Rücken trieb, würde er ihr beide Arme brechen und ihr Gesicht verunstalten. Kannst du dir vorstellen, wie dieses Leben gewesen sein muß? Dein Mann kommt heim und sagt: >Nun, ich fahr' jetzt zur See, Schatz. Gib mir 'nen Kuß, dann wälzen wir uns noch eine Runde im Heu, und übrigens, wenn ich heimkomme und jemand erzählt mir, daß du rumgevögelt hast, breche ich dir beide Arme und mach dir das Gesicht kaputt.<«
»Ja, das ist schlimm.«
»Nach einer Weile lernte sie einen Typ kennen«, sagte Lucy. »Er war Turnlehrer an der Burlington High. Sie haben miteinander rumgemacht und dabei immer über die Schulter gesehen, und ich weiß nicht, ob ihr Mann jemanden auf sie angesetzt hatte, aber nach einer Weile war das auch unwichtig. Nach einer Weile wurde Joline echt nervös. Sie war so weit, daß sie dachte, ein Typ, der an der Ecke auf den Bus wartete, wäre ein Freund ihres Mannes. Oder der Vertreter, der sich nach ihr und Herb in einer verlausten Absteige eintrug. Das dachte sie auch, wenn sie sich in einem x-beliebigen Motel irgendwo im Staat New York trafen. Vielleicht gehörte sogar der Polizist dazu, der ihnen den Weg zu einem Picknickplatz erklärte, wenn sie zusammen waren. Es wurde so schlimm, daß sie geschrien hat, wenn der Wind eine Tür zuwehte, und zusammengezuckt ist, wenn jemand die Treppe raufkam. Und da sie in einem Haus wohnte, das in sieben kleine Wohnungen unterteilt war, kam immer irgend jemand die Treppe rauf. Herb bekam Angst und verließ sie. Er bekam keine Angst vor Jolines Mann - er bekam Angst vor ihr . Kurz bevor ihr Mann auf Landurlaub kam, hatte Joline einen Nervenzusammenbruch. Und nur, weil sie sich zu gerne verliebte... und er krankhaft eifersüchtig war. Nadine erinnert mich an dieses Mädchen, Larry. Sie tut mir leid. Ich glaube, ich kann sie nicht besonders gut leiden, aber sie tut mir leid. Sie sieht schrecklich aus.«
»Willst du damit sagen, Nadine hat Angst vor mir, wie dieses Mädchen Angst vor ihrem Mann gehabt hat?«
Lucy sagte: »Vielleicht. Ich will dir eines sagen - wo immer Nadines Mann ist, hier ist er nicht.«
Er lachte ein wenig unbehaglich. »Wir sollten wieder schlafen gehen. Morgen wird ein schwerer Tag.«
»Ja«, sagte sie und dachte, daß er kein Wort begriffen hatte. Und plötzlich fing sie an zu weinen.
»He«, sagte er. »He.« Er versuchte, einen Arm um sie zu legen. Sie schlug ihn weg. »Von mir bekommst du, was du willst, das kannst du dir sparen!«
Es war immer noch so viel von dem alten Larry in ihm, daß er sich fragte, ob man ihre Stimme im Lager hören konnte.
»Lucy, ich habe dich nicht gezwungen«, sagte er grimmig.
»Oh, du bist so dumm! « schrie sie und schlug nach seinem Bein.
»Warum sind Männer so dumm, Larry? Du siehst nur Schwarz und Weiß. Nein, du hast mich nicht gezwungen. Ich bin nicht wie sie. Du könntest sie zwingen, und sie würde dir trotzdem ins Gesicht spucken und die Beine zusammenkneifen. Für Mädchen wie mich haben Männer Wörter, die schreiben sie an Toilettenwände, hab' ich gehört. Aber es geht doch nur darum, daß man Wärme braucht, sich warm fühlen muß. Daß man Liebe braucht. Ist das so
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