The Stand. Das letze Gefecht
zu sich. » Pssst , Wahnsinn!«
Sie mußte hier weg, bevor sie ih-aahte wie ein Esel. Sie hatte das Lachen noch nie zurückhalten können, wenn es einmal über sie gekommen war. Sie huschte durch das dunkle Schlafzimmer, nahm vom Haken an der Badezimmertür eine solidere - und keuschere - Umhüllung, die sie sich überstreifte, während sie den Flur entlanglief und dabei das Gesicht wie eine Gummimaske verzog. Sie kam auf den Treppenabsatz hinaus und die erste Stufenflucht hinunter, dann brach das Lachen ungehindert aus ihr heraus. Die letzten beiden Treppenfluchten ging sie hemmungslos wiehernd hinunter. Der Mann - ein junger Mann, wie sie jetzt sah - war inzwischen aufgestanden und klopfte sich ab. Er war schlank und gut gebaut, das Gesicht von einem Bart größtenteils verdeckt, der bei Tageslicht blond oder möglicherweise wie roter Sand aussehen mochte. Er hatte dunkle Ringe unter den Augen, lächelte aber ein wenig kläglich.
»Was haben Sie umgestoßen?« fragte er. »Hat sich angehört wie ein Klavier.«
»Eine Vase«, sagte sie. »Sie... Sie...« Aber dann kam das Kichern wieder, und sie konnte nur mit dem Finger auf ihn deuten und leise lachen und den Kopf schütteln und sich den schmerzenden Bauch halten. Tränen kullerten ihr die Wangen hinab. »Sie haben zu komisch ausgesehen... Ich weiß, das sollte man nicht zu jemand sagen, den man gerade kennengelernt hat, aber... Herrje! Es ist nunmal so!«
»Wären dies die alten Zeiten«, sagte er grinsend, »wäre mein nächster Schritt, Sie auf mindestens eine Viertelmillion zu verklagen. Auf Teufel komm raus. Richter, ich habe nach oben gesehen, und diese junge Frau hat auf mich heruntergeblickt. Ja, ich glaube, sie hat mir ein Gesicht geschnitten. Jedenfalls hatte sie ein Gesicht. Wir entscheiden für den Kläger, diesen armen Jungen. Und wir lassen den Gerichtsvollzieher kommen. Die Verhandlung wird zehn Minuten vertagt.«
Sie lachten beide ein wenig. Der junge Mann trug saubere verblichene Jeans und ein dunkelblaues Hemd. Die Sommernacht war warm und mild. Frannie freute sich, daß sie herausgekommen war.
»Sie heißen nicht zufällig Fran Goldsmith?«
»Zufällig ja. Aber ich kenne Sie nicht.«
»Larry Underwood. Wir sind heute erst angekommen. Eigentlich suche ich einen Burschen namens Harold Lauder. Man hat mir gesagt, er wohnt mit Stu Redman und Frannie Goldsmith und ein paar anderen Leuten in 161 Pearl.«
Das trocknete ihr Kichern ein. »Harold hat in dem Haus gewohnt, als wir in Boulder ankamen, aber er ist schon lange weg. Er wohnt jetzt in der Arapahoe Street im Westen der Stadt. Wenn Sie wollen, kann ich Ihnen seine Adresse geben und den Weg erklären.«
»Das wäre nett. Aber ich denke, ich warte bis morgen. So etwas wie heute riskiere ich nicht noch mal.«
»Kennen Sie Harold?«
»Ja und nein - so wie ich Sie kenne und doch wieder nicht. Um ehrlich zu sein, muß ich sagen, Sie sehen ganz anders aus, als ich Sie mir vorgestellt habe. In meiner Vorstellung habe ich Sie als blonde Walküre gesehen, wie aus einem Gemälde von Frank Frazetta, womöglich mit einem Fünfundvierziger an jeder Hüfte. Aber ich freue mich, Sie kennenzulernen.« Er streckte die Hand aus, und Frannie nahm sie mit einem knappen erstaunten Lächeln.
»Ich fürchte, ich habe nicht die geringste Ahnung, wovon Sie sprechen.«
»Setzen Sie sich einen Moment auf den Bordstein, dann erzähle ich es Ihnen.«
Sie setzte sich. Der Geist eines Windhauchs wehte durch die Straße, raschelte mit Papierfetzen und zerzauste die alten Ulmen auf dem Rasen des Gerichtsgebäudes drei Blocks entfernt.
»Ich hab' ein paar Sachen für Harold Lauder«, sagte Larry. »Aber es soll eine Überraschung sein, also wenn Sie ihn vor mir sehen, Schweigen ist Gold, und so weiter.«
»Klar, logisch«, sagte Frannie. Sie war verwirrter denn je. Er hielt den Revolver mit dem langen Lauf hoch, und es war gar kein Revolver, sondern eine Weinflasche mit langem Hals. Er hielt das Etikett ins Sternenlicht, und sie konnte gerade das großgeschriebene BORDEAUX oben und das Datum ganz unten lesen: 1947.
»Der beste Bordeaux in diesem Jahrhundert«, sagte er. »Hat jedenfalls ein alter Freund von mir immer gesagt. Sein Name war Rudy. Gott sei seiner Seele gnädig.«
»Aber 1947... das ist dreiundvierzig Jahre her. Ist er nicht... nun, hinüber?«
»Rudy hat immer gesagt, ein guter Bordeaux ist nie hinüber. Wie auch immer, ich schleppe ihn seit Ohio mit. Wenn es schlechter Wein ist, dann wenigstens
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