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The Stand. Das letze Gefecht

The Stand. Das letze Gefecht

Titel: The Stand. Das letze Gefecht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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Höhe mit dem Motorrad unterwegs war. Aber die Jacke hatte noch einen Vorteil. Sie hatte viele Taschen mit Reißverschluß, und in einer davon steckte eine Achtunddreißiger Smith & Wesson. Harold zog den Revolver heraus und ließ ihn von einer Hand in die andere gleiten. Dieser war vollgeladen und lag schwer in seiner Hand, als wäre ihm klar, daß sein Zweck ernst war: Tod, Vernichtung, Ermordung. Heute abend?
    Warum nicht?
    Er hatte diese Expedition angeregt, weil er hoffte, er könnte lange genug mit Stu allein sein, um es über die Bühne zu bringen. Jetzt sah es aus, als hätte er die Chance in weniger als fünfzehn Minuten im Chatauqua Park. Aber die Reise hatte noch einen anderen Zweck erfüllt.
    Er hatte nicht vorgehabt, ganz nach Nederland zu fahren, einem erbärmlichen kleinen Kaff hoch über Boulder, eine Ortschaft, deren einziger Anspruch auf Ruhm darin bestand, daß Patty Hearst dort angeblich einmal auf der Flucht übernachtet hatte. Aber während er nach oben fuhr, die Honda gleichmäßig zwischen seinen Beinen summte und ihm die Luft kalt wie eine Rasierklinge ins Gesicht schnitt, war etwas geschehen.
    Wenn man einen Magneten an ein Tischende und ein Stück Eisen ans andere legt, passiert nichts. Wenn man das Eisen langsam, in kleinen Schritten näher an den Magneten schubst (dieses Bild hielt er eine Weile in Gedanken, erfreute sich daran und nahm sich vor, es heute abend in sein Tagebuch zu schreiben), kommt einmal der Zeitpunkt, da der Schubs das Eisenstück weiter bringt, als normal wäre. Das Eisenstück kommt zum Stillstand, aber scheinbar widerwillig, als hätte es ein Eigenleben entwickelt, zu dem auch die Weigerung gehört, dem physikalischen Gesetz der Trägheit zu gehorchen. Noch einen Schubs oder zwei, und man kann fast - vielleicht sogar tatsächlich - sehen, wie das Eisenstück auf dem Tisch vibriert und scheinbar hüpft und zittert wie eine mexikanische Springbohne, die man in Scherzartikelläden kaufen kann - sie sehen aus wie ein knöchelgroßes Stück Holz, haben aber in Wirklichkeit einen lebenden Wurm in sich. Noch ein Schubs, und das Gleichgewicht zwischen Reibung/Trägheit und der magnetischen Anziehungskraft neigt sich auf die andere Seite. Das Eisenstück bewegt sich, inzwischen völlig zum Leben erwacht, aus eigenem Antrieb weiter, schneller und schneller, bis es schließlich auf den Magneten prallt und dort haften bleibt.
    Ein gräßlich faszinierender Vorgang.
    Als in diesem Juni das Ende der Welt gekommen war, hatte man die Kraft des Magnetismus immer noch nicht völlig verstanden gehabt, doch Harold (dessen Verstand nie rational-wissenschaftlicher Prägung gewesen war) glaubte, die Physiker, die so etwas studierten, wären der Meinung gewesen, sie hätte etwas mit der Schwerkraft zu tun, und die Schwerkraft war der Grundstein des Universums.
    Auf dem Weg nach Nederland, Richtung Westen, nach oben, während die Luft ringsum immer kälter wurde und er sah, wie sich Gewitterwolken um die höheren Berggipfel jenseits von Nederland zusammenzogen, hatte Harold diesen Vorgang in sich selbst zu spüren begonnen. Er näherte sich dem Punkt des Gleichgewichts... und nicht mehr lange, dann würde er den Punkt erreichen, wo der Sog zu wirken anfing. Er war ein Eisenstück in genau der Entfernung vom Magneten, wo ein Schubs es weiter als unter normalen Umständen transportiert. Er konnte die Vibration in sich spüren. Es kam einem heiligen Erlebnis so nahe wie noch nichts in seinem Leben. Die Jugend leugnet das Heilige, weil dessen Anerkennung bedeutet, den eventuellen Tod aller empirischen Objekte anzuerkennen, und Harold lehnte es ebenfalls ab. Die alte Frau war irgendwie übersinnlich begabt, hatte er gedacht, ebenso Flagg, der dunkle Mann. Sie waren menschliche Funksender, mehr nicht. Ihre wahre Macht würde in den Gesellschaften liegen, die sich rings um ihre Signale herum bildeten, welche so verschieden voneinander waren. Hatte er gedacht.
    Aber als er auf seiner geparkten Honda am Ende der mickrigen Hauptstraße von Nederland saß, das Kontrollicht der Honda neutral wie ein Katzenauge leuchtete und er dem winterlichen Heulen des Windes in den Pinien und Espen lauschte, verspürte er mehr als nur magnetische Anziehung. Er spürte eine gewaltige, irrationale Macht aus Westen kommen, eine derart große Faszination, daß er das Gefühl hatte, wenn er sich jetzt näher damit beschäftigte, würde er verrückt werden. Er hatte das Gefühl, wenn er sich viel weiter über den Punkt des

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