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The Stand. Das letze Gefecht

The Stand. Das letze Gefecht

Titel: The Stand. Das letze Gefecht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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>Blumentopf< ist«, sagte Starkey. »Wie ist die Situation?«
    Die blecherne Stimme aus Sipe Springs redete fast fünf Minuten ununterbrochen. Die Situation als solche war unwichtig, dachte Starkey, weil der Computer sie vor zwei Tagen informiert hatte, dass genau diese Situation (in der einen oder anderen Form) bis Ende Juni eintreten würde. 88% Wahrscheinlichkeit. Die Einzelheiten spielten keine Rolle. Wenn es zwei Beine und Gürtelschlaufen hatte, war es eine Hose. Farbe nebensächlich.
    Ein Arzt in Sipe Springs hatte ein paar naheliegende Vermutungen angestellt, und zwei Reporter einer Tageszeitung in Houston hatten die Geschehnisse in Sipe Springs mit denen in Arnette, Verona, Commerce City und einer Stadt namens Polliston, Kansas, in Verbindung gebracht. Das waren die Orte, wo sich das Problem so schnell so sehr verschlimmert hatte, daß die Armee geschickt worden war, um sie unter Quarantäne zu stellen. Der Computer hatte eine Liste von fünfundzwanzig anderen Städten in zehn Staaten ausgespuckt, wo sich Anzeichen von Blau zeigten.
    Die Situation in Sipe Springs war nicht wichtig, weil sie nicht einmalig war. Die Chance auf etwas Einmaliges hatten sie in Arnette gehabt - jedenfalls beinahe -, und dort hatten sie es vermasselt. Entscheidend war, daß die »Situation« nun zum ersten Mal auf etwas anderem als gelbem Kanzleipapier der Armee gedruckt erscheinen würde; das heißt, falls Starkey keine Schritte unternahm. Er hatte noch nicht entschieden, ob er das tun sollte oder nicht.
    Aber als die blecherne Stimme zu reden aufhörte, wurde Starkey klar, daß er die Entscheidung doch schon gefällt hatte. Er hatte sie vielleicht schon vor zwanzig Jahren gefällt.
    Entscheidend war die Frage, was wichtig war. Und wichtig war nicht die Tatsache der Krankheit; nicht die Tatsache, daß die Integrität von Atlanta irgendwie zunichte gemacht worden war und sie die gesamte Präventivoperation einer sehr viel weniger kompetenten Einrichtung in Stovington, Vermont, übertragen mußten; nicht die Tatsache, dass sich Blau in der tückischen Verkleidung einer gewöhnlichen Erkältung ausbreitete.
    »Wichtig ist...«
    »Bitte wiederholen, Basis Blau Nummer eins«, sagte die Stimme ängstlich. »Wir haben nichts empfangen.«
    Wichtig war, daß ein bedauerlicher Unfall stattgefunden hatte. Starkey reiste in Gedanken zweiundzwanzig Jahre in der Zeit zurück, ins Jahr 1968. Er war im Offiziersclub in San Diego gewesen, als die Nachricht über Calley und was in My Lai Vier passiert war, hereingekommen war. Starkey hatte mit vier anderen Männern Poker gespielt, von denen zwei mittlerweile im Generalstab saßen. Das Pokerspiel war im Verlauf der Diskussion darüber, was dieser Zwischenfall dem Militär antun würde - nicht einem Teil, sondern dem Militär als Ganzem, zumal in der Hexenjagd-Atmosphäre von Washingtons viertem Stand -, vollkommen vergessen worden. Und einer der Runde, ein Mann, der jetzt direkt zu dem erbärmlichen Wurm durchwählen konnte, der sich seit dem 20. Januar 1989 als oberster Boß verkleidet hatte, hatte die Karten sorgfältig auf den grünen Filztisch gelegt und gesagt: Meine Herren, ein bedauerlicher Unfall hat stattgefunden. Und wenn ein bedauerlicher Unfall stattfindet, der mit einer Abteilung des Militärs der Vereinigten Staaten zu tun hat, fragen wir nicht nach den Ursachen, sondern überlegen uns, wie wir ihn am besten vertuschen können. Die Armee ist Mutter und Vater für uns. Denn wenn man seine Mutter vergewaltigt vorfindet oder seinen Vater überfallen und ausgeraubt, bedeckt man zuerst einmal ihre Blöße, bevor man die Polizei ruft oder selbst Ermittlungen anstellt. Weil man sie liebt.  
    Starkey hatte weder vorher noch nachher jemals jemanden so gut reden hören.
    Jetzt schloß er die unterste Schublade seines Schreibtischs auf und holte den dünnen blauen Ordner hervor, der mit rotem Klebeband zugeklebt war. Der Schriftzug auf dem Umschlag lautete: WENN DAS SIEGEL ERBROCHEN IST, UNVERZÜGLICH ALLE SICHERHEITSKRÄFTE BENACHRICHTIGEN. Starkey brach das Siegel.
    »Sind Sie noch da, Basis Blau Nummer eins?« fragte die Stimme.
    »Wir empfangen Sie nicht. Wiederhole, empfangen nicht.«
    »Ich bin hier, Löwe«, sagte Starkey. Er blätterte zur letzten Seite des Buchs und fuhr mit dem Finger eine Spalte mit der Überschrift EXTREME VERDECKTE GEGENMASSNAHMEN entlang. »Löwe, hören Sie mich?«
    »Wir empfangen Sie, Basis Blau Nummer eins.«
    »Troja«, sagte Starkey mit großem Nachdruck.

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