The Vampire Diaries - Stefan's Diaries - Schatten des Schicksals: Band 5 (German Edition)
Fenster in den unteren Stockwerken der Gebäude waren verbrettert. Man konnte unmöglich erkennen, ob die Häuser bewohnt waren. Ich hoffte es nicht.
» Woher kennst du denn diesen Stadtteil?«, fragte ich verblüfft, da sich Damon für gewöhnlich in eleganten Gegenden aufhielt.
» Unglücklicherweise habe ich in diesem Höllenloch gewohnt«, antwortete Damon und verzog das Gesicht. » Du bist nicht der Einzige, der einiges mitgemacht hat, Bruder.«
» Du hast hier gewohnt?«, wiederholte ich ungläubig und stieg über einen Müllhaufen und zerbrochene Holzkisten.
» Man tut, was man kann. Natürlich ziehe ich Federbetten und Champagner vor, aber die sind leider nicht immer verfügbar. Außerdem gefällt mir die Dunkelheit. Niemand beobachtet einen, niemand schert sich darum, ob Leute verschwinden. So ist das wirkliche Leben, Bruder«, fuhr Damon fort, während wir uns weiter durch die schmale Gasse schoben. Sie war so eng, dass wir nur hintereinander hindurchpassten.
» Wann bist du überhaupt nach London gekommen?«, fragte ich. Ich hatte immer noch keine Ahnung, was Damon in den vergangenen Jahren eigentlich getrieben hatte. Umgekehrt war es zwar genauso, aber ich nahm an, dass ihn das nicht besonders interessierte. Die letzten zwanzig Jahre waren so schnell vergangen wie ein einziger Sommer. Lexi und ich waren herumgereist, wir hatten lange Gespräche geführt und manchmal Gelegenheitsjobs angenommen, um ein bisschen Kleingeld zu verdienen. Aber wie war es Damon ergangen?
» Ich bin schon seit einer ganzen Weile hier. In Amerika konnte ich nichts mehr anfangen. Also musste ich woanders auf Abenteuersuche gehen«, erwiderte Damon kryptisch. Er blieb vor der verbretterten Tür eines Hauses stehen, das ebenso baufällig aussah wie alle anderen Objekte hier.
Dann hob er die Faust und klopfte dreimal gegen das Holz.
» Wer ist da?«, rief eine leise, krächzende Stimme von der anderen Seite.
» Damon de Sangue«, sagte Damon mit einem makellosen italienischen Akzent.
Die Tür öffnete sich knarrend und ein winziger, verhutzelter Mann trat heraus. Ihm fehlte ein Auge und aus dem anderen sickerte eine milchig weiße Flüssigkeit. Es war schwer, sein Alter zu schätzen. Oder festzustellen, ob er überhaupt ein Mensch war.
» James!«, begrüßte Damon den Alten herzlich und bückte sich, um ihm die Hand zu schütteln.
» Damon! Du warst viel zu lange fort. Ich hoffe, du steckst nicht in Schwierigkeiten?«, fragte James und zog die weiße, buschige Augenbraue über seiner leeren Augenhöhle hoch. Plötzlich entdeckte er mich. » Und wer ist das?«, fragte er argwöhnisch.
» Das ist Stefan«, erklärte Damon. » Mein Bruder. Auch ein Vampir. Stefan, das ist James, ein Freund von Englands Kreaturen der Nacht.«
» Oder von jemandem, der zahlt«, bemerkte James trocken und musterte mich von Kopf bis Fuß, bis sein Blick schließlich auf meinem Lapislazuliring verweilte. Er grinste schief. » Also, was kann ich für euch tun , Jungs? Ich habe Rhinozerosblut. Ein Leckerbissen für den anspruchsvollen Gaumen. Oder kann ich euch beiden eine Tasse Ziegenbluttee anbieten?«, fragte er und schob uns in den winzigen, völlig überfrachteten Laden.
Bei der Erwähnung von Ziegenbluttee zuckte ich zusammen. Die meisten Vampire tranken nichts als menschliches Blut, und ich hatte bisher gedacht, dass Lexi, die stattdessen mit Ziegenblut vorlieb nahm, eine Ausnahme wäre. Ich fragte mich, wer wohl noch alles zu James’ Kundenstamm gehörte.
Der Gedanke verflüchtigte sich jedoch, sobald ich weiter in den Ladenraum hineinging. Erstaunt sah ich mich um. Nach den Jahrzehnten meines Vampirdaseins war ich davon ausgegangen, alles gesehen oder zumindest von Lexi gehört zu haben. Aber jetzt stellte ich fest, dass ich noch viel lernen musste. Die eine Wand wurde von Fröschen in Glaskrügen gesäumt. An der anderen standen Gefäße, in denen purpurrote Herzen in einer trüben Substanz pulsierten. Und ein ganzes Regal quoll mit Schalen voller Edelsteinen über.
» Mein Angebot gilt noch immer, Damon. Ich wäre bereit, einen stolzen Preis für deinen Ring zu zahlen. Ich hatte bereits mehrere Anfragen. Ich weiß, dass nur der Besitzer von seinen Eigenschaften profitieren kann, aber die Interessenten würden ihn trotzdem gern mal unter die Lupe nehmen«, sagte James mit gierigem Blick.
» Nein, dieser Ring hat einen gewissen… sentimentalen Wert für mich.« Damon schüttelte den Kopf und verbarg seine Hand in seinem Mantel. »
Weitere Kostenlose Bücher