The Vampire Diaries - Stefan's Diaries - Schatten des Schicksals: Band 5 (German Edition)
irgendwo hier unten am Boden«, sagte ich. Ich liebte Poesie, aber seit meiner letzten Lektüre von Kinderreimen war schon eine ganze Weile verstrichen. Wir versuchten, am Fuße des Turms einen Eingang zu finden. Ich hatte keine Ahnung gehabt, dass dieser so schwer bewacht wurde. Es schien unmöglich, die Wachen zu umgehen.
» Sieh, was zu sehen dir nicht bestimmt …« Cora brach gedankenverloren ab. » Glauben Sie, dass damit die Rückseite des Uhrenturms gemeint ist? Die ist immer verborgen, nicht wahr?«
Genau da schlug es zwölf.
» Wir haben nicht mehr viel Zeit«, drängte Cora. Als der Wachwechsel vonstatten ging, wanderten wir rasch zu der dem Fluss abgewandten Seite des Glockenturms. Aus der Nähe konnte ich zahlreiche Risse in der Kalksteinfassade ausmachen.
» Sehen Sie!«, rief Cora aufgeregt, bevor sie sich eine Hand vor den Mund schlug. » Tut mir leid«, sagte sie beschämt. » Es ist nur… da ist ein Loch«, fügte sie hinzu und zeigte auf einen Riss im Sockel des Turms.
» Cora, ich bin ein Vampir, kein Elf.« Wenn das der Eingang sein sollte, so war er nicht mehr als ein Fuß hoch: Ein Kalksteinblock hatte sich gelöst, sodass sich eine dreieckige Lücke auftat.
Cora lächelte, bevor sie in die Hocke ging und die Hand in das Loch streckte. » Ich werde es versuchen«, sagte sie. Und in diesem Moment traute ich meinen Augen kaum: Langsam, ganz langsam begann das Loch zu wachsen! Cora streckte den Arm tiefer hinein und das Loch wurde immer größer. Mit hochgezogenen Augenbrauen drehte sie sich zu mir um.
Ephraim musste mächtig sein, wenn ein solch magisches Tor zu seinem Versteck führte.
» Ich werde als Erster gehen«, entschied ich. Ich schlüpfte hinein und Cora folgte mir. Wir gelangten in einen schmalen Tunnel mit einer Wendeltreppe, die sich endlos gen Himmel zu schrauben schien. Lautlos begannen wir unseren Aufstieg.
» Stefan.« Coras Stimme zitterte. » Was ist, wenn wir einen Fehler begehen? Wenn man mit Ephraim gar nicht vernünftig reden kann?«
» Wir haben keine andere Wahl, als James zu vertrauen. Außerdem sind wir schon fast da«, sagte ich, obwohl ich keine Ahnung hatte, ob das stimmte. Mich beschlich das Gefühl, dass die Treppe nicht das war, was sie zu sein schien. Sie ließ uns in der Dunkelheit schweben, während wir endlos in die Höhe kletterten. Alles war möglich.
Ich befürchtete schon das Schlimmste, als die Wendeltreppe abrupt endete. Wir standen vor einer Eisentür. Ich drückte zaghaft dagegen, aus Angst, in eine Falle zu tappen.
» Wer da?«, donnerte eine Stimme, die von überall gleichzeitig zu ertönen schien.
» Ich komme als Freund«, sagte ich und war plötzlich von Gelassenheit erfüllt. Jetzt gab es kein Zurück mehr. Was geschehen würde, würde geschehen.
Unversehens fanden wir uns in einem winzigen achteckigen Raum wieder, in dem höchstens fünf Personen Platz hatten. Ich musste mich ducken, damit mein Kopf nicht gegen die schräge, von Spinnweben überzogene steinerne Decke stieß. Die Stimme gehörte einem Mann, der auf einem Betonblock in der Mitte des Raums saß. Der feuchte Boden war mit brennenden Kerzen übersät. Die Wände hatten keine Fenster, nur eine einzige winzige Öffnung, nicht größer als ein Ziegelstein, durch die man auf London hinabschauen konnte. Uns gegenüber befand sich ein Durchgang, hinter dem die Uhr arbeitete; große Zahnräder aus Messing drehten sich behäbig. Ich fragte mich, warum Ephraim sich ausgerechnet bei Big Ben seine Heimstatt gesucht hatte und wer außer James noch wusste, dass er hier lebte.
Jetzt stand der Mann auf. Er trug eine völlig zerlumpte Robe und musste bereits über fünfzig sein. Im Gegensatz zu James würde er auf den Straßen von London nicht weiter auffallen, obwohl er etwas Beunruhigendes ausstrahlte– eine Art nervöse Anspannung oder Alarmbereitschaft. So als rechne er jeden Augenblick damit, angreifen oder fliehen zu müssen.
Er kam auf mich zu und beschnupperte mich wie ein Hund den anderen. Ich hatte James’ Warnung nicht vergessen und verhielt mich völlig ruhig, damit er seine unorthodoxe Art der Begrüßung fortsetzen konnte. Cora blieb an meiner Seite.
» Sie ist ein Mensch?«, fragte der Mann. » Ephraim mag Menschen. Ephraim mag keine Vampire.«
Cora trat vor. » Ja«, sagte sie mit einem schwachen Nicken, und eine Haarsträhne fiel ihr über die Augen. » Ich bin ein Mensch, aber Stefan ist kein typischer Vampir.«
» Das wird Ephraim beurteilen.«
» Können
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