The Volunteer. Erinnerungen eines ehemaligen IRA-Terroristen (German Edition)
Volksvertretern jenseits der Irischen See.
Lord Longford, der katholische Adlige, dessen Familie irische Wurzeln hatte und der seit etwa 35 Jahren irisch-republikanische Häftlinge besuchte, wurde mir ebenfalls ein sehr guter Freund und Helfer. Er hatte Eamonn de Valera noch persönlich gekannt, setzte sich ständig mit katholischen und pazifistischen Streitfragen auseinander und ließ mich an alledem teilhaben. Später bekam ich auch Unterstützung von Lord Hylton und von den Kardinälen Hume und O’Fiaich.
Währenddessen unternahm die Polizei einen weiteren Versuch, mich zu ködern. Unter dem Vorwand, ich müsse meine Anwältin Gareth Pearce sprechen, ließ man mich mit nichts als einem Handtuch bekleidet aus dem Einzelhaft-Bau zum Besuchsraum für Rechtsbeistand hinüberlaufen. Dort wies man mich in den Raum hinein und schloss gut hörbar die Tür hinter mir. Als ich die beiden Detectives sah, verlangte ich, in meine Zelle zurückzukehren. Es wurde mir aber erst gestattet, nachdem die Polizisten mir ihren Handel vorgeschlagen hatten. Sie sagten, wenn ich nicht mit ihnen zusammenarbeitete, würde ich zwanzig Jahre lang im Gefängnis bleiben. Ich lehnte ihr Ansinnen rundheraus ab.
Den Zeitungen entnahm ich, dass die Ereignisse draußen sich zum Schlechten gewendet hatten. Es gab Reaktionen auf das Scheitern des Waffenstillstands, und die Gewalt hatte sich verschlimmert. Über meinen Protest aus dem Gefängnis heraus wurde in der republikanischen Presse nur unregelmäßig, meist im Umfeld von Meldungen über IRA-Aktivitäten berichtet. Einmal stand neben einem Artikel über mich ein Bericht über eine grauenhafte, tödliche Attacke auf eine britische Soldatin in Nordirland. Es war eine Aktion, die mich entsetzte, und an der ich mich nicht hätte beteiligen wollen. Umso heftiger empfand ich jetzt meine Schuld an den Verletzungen, die zwei Sekretärinnen erleiden mussten, weil sie meine verbombten Briefe, die an ihre Vorgesetzten adressiert waren, geöffnet hatten.
Meine Betroffenheit angesichts des Umstandes, dass ich auf dem Zeitungsblatt mit dem Mord an der Soldatin im Zusammenhang gesehen wurde, und mein eigenes nagendes Schuldbewusstsein ließen aus einem vagen, nebulösen Verlangen einen festen Beschluss erwachsen: Ich fand, dass ich meine Ansichten in der Zeitung „Republican News“ darlegen sollte. Indem ich zum Waffenstillstandszeitraum von 1974 zurückging, wollte ich den taktischen Gebrauch von Gewalt, das Unrecht und die Menschenrechtsverletzungen, die unsere Gegengewalt gegen die Briten verursacht hatte, in Frage stellen. Ich dachte, es sei jetzt an der Zeit, dass man mich mit meinen jetzigen Ansichten wahrnahm, statt mit solchen, die man von mir erwartete oder hören wollte. Außerdem fand ich, dass meine Verdienste für die IRA mir das Recht gaben, auch unbequeme Ansichten auf der Leserbriefseite zu äußern. Also schrieb ich einen Brief, in dem ich meine Einstellung zum Ausdruck brachte, schickte ihn an ein Familienmitglied und bat darum, ihn mit der Bitte um Veröffentlichung an den Leserbrief-Redakteur der „Republican News“ weiterzuleiten.
In der Zwischenzeit meldeten sich die meisten Leute, die ich wegen meiner Forderung, nach Nordirland zurückverlegt zu werden, angeschrieben hatte. Sie schrieben, es würde überhaupt nichts nutzen, wenn ich versuchte, das Innenministerium in Zugzwang zu bringen, und durch meine Weigerung, die Gefängnisordnung und -kleidung zu akzeptieren, machte ich es dem System außerdem unmöglich, meinem Begehren stattzugeben. Man würde nämlich befürchten, dass dann Hunderte von Forderungen erhoben würden. Ich solle doch den mir wohlgesonnenen Parlamentsabgeordneten die Möglichkeit geben, ihren Einfluss geltend zu machen; schließlich hätte ich ja die besten Argumente für eine Rückführung nach Nordirland und erfüllte sämtliche von den Briten verlangten Voraussetzungen. Meine Familie hatte mir dasselbe schon oft geraten. Deshalb beschloss ich im November 1977, nach vierzehn Monaten Einzelhaft in Nacktheit, es auszuprobieren. Ich passte mich an und gab meinen Protest auf, behielt mir jedoch vor, ihn wiederaufzunehmen, falls es trotz aller Bemühungen meiner Helfer nicht gelang, mein Anliegen innerhalb einer angemessenen Frist entscheidend vorwärts zu bringen. Also legte ich die Häftlingsuniform an und wurde aus der Einzelhaft in das „D-Gebäude“ verlegt, wo um die 260 Langzeit- und Lebenszeitgefangene, darunter auch IRA-Leute, untergebracht
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