The Volunteer. Erinnerungen eines ehemaligen IRA-Terroristen (German Edition)
Republikanischen Bewegung reagiert hatten, akzeptierten ein paar Jahre später brav den Beschluss der Bewegung, sich an den britischen und irischen Parlamentswahlen zu beteiligen. Meine Einschätzung bestätigte sich, als ich schließlich in das Gefängnissystem von Nordirland zurückkehrte, wo die IRA-Häftlinge sich jederzeit hilfsbereit zeigten.
Ich setzte mich zu der Zeit mit der Frage auseinander, ob ich bei den Menschen, die ich durch meine Briefbomben verletzt hatte, um Entschuldigung bitten sollte oder nicht. In meiner Rede von der Anklagebank des Old Bailey hatte ich mich bei den „unschuldigen Arbeitern“ unter meinen Opfern entschuldigt, während ich nicht die geringste Absicht hatte, dasselbe auch bei meinen militärischen oder politischen Zielpersonen zu tun. Seitdem hatte ich aber sehr viel gelesen, von den Dokumenten des 2. Vatikanischen Konzils und dem Bibelkommentar von Jerome Dominguez bis zu allem über Pazifismus und gewaltfreien Widerstand, Menschenrechte und Gefangenenrechte – alles hatte ich tiefgehend studiert. Vieles davon verwendete ich als Zitate in meiner Kampagne zur Heimsendung nach Nordirland. Es bekümmerte mich sehr, dass ich, wenn ich mich mit allem, was ich las, verglich, gar nicht als der strahlende Idealist und Gerechtigkeitssuchende dastand, für den ich mich gehalten hatte. Stattdessen war ich jemand, der schwere Menschenrechtsverletzungen begangen hatte, und der auf den geheimnisvollen Nimbus und die Aura der taktischen Gewaltanwendung ebenso wie auf die alte Lüge „Dulce et decorum est pro patria mori“ (Es ist süß und ehrenhaft, für sein Vaterland zu sterben) hereingefallen war.
Die Evangelien waren mir eine ständige Herausforderung und Verunsicherung, insbesondere der Vers Matthäus 5, 23, der lautet:
Darum wenn du deine Gabe auf dem Altar opferst und wirst allda eindenken, dass dein Bruder etwas wider dich habe, so lass allda vor dem Altar deine Gabe und gehe zuvor hin und versöhne dich mit deinem Bruder und alsdann komm und opfere deine Gabe.
Ich verstand das so, dass religiöse oder liturgische Praxis ohne den Versuch, mich mit meinen Opfern auszusöhnen, bedeutungslos war. All mein Bemühen, zu einem reineren Idealismus zu gelangen, mich in einen besseren Menschen zu verwandeln, mich von der Gewalt meiner Vergangenheit zu distanzieren und aus aller Widrigkeit heraus eine bessere Zukunft zu erringen, wurde untergraben von der Tatsache, dass ich mich nicht mit den Schwierigkeiten meiner Opfer befasst hatte – und auch noch nicht mit denen meiner militärischen und politischen Opfer.
Angesichts der Fülle mancher meiner Lesestoffe vereinfachte ich alles, was ich daraus zog. Ich sah meinen Gebrauch von Gewalt als Schädigung nicht nur einer, sondern dreier Beziehungen – der zu meinen Opfern, der zu mir selbst und der, die ich vielleicht zu Gott haben könnte. Mein Gedanke war jetzt, dass ich die beiden letzteren retten könnte, wenn ich einen Versuch – und sei er auch nur symbolisch – unternahm, die erste aktiv anzugehen.
Ein ernstliches Problem hatte ich damit, dass die katholische Kirche die Doktrin des Gerechten Krieges lehrte, während eines der Evangelien Grundsätze wie die folgenden enthielt:
Wie ihr wisst, lautet das alte Gebot: „Auge um Auge“ und „Zahn um Zahn“, aber ich sage euch nun: Übt keinerlei Vergeltung an einem Übeltäter. Wenn jemand euch auf die rechte Wange schlägt, so dreht euch eher und haltet ihm die linke auch noch hin. Wenn jemand euch um eurer Jacke willen verfolgt, so lasst ihn auch noch euren Mantel haben, und wenn jemand euch zu einem Lauf von einer Meile heranzieht, geht zwei Meilen mit ihm ... Ihr kennt auch den Spruch: „Liebt eure Nächsten und hasst eure Feinde“, aber ich sage euch jetzt dies: Behandelt eure Feinde mit Liebe und betet als Gewohnheit für eure Unterdrücker, um zu zeigen, dass ihr wirklich Kinder eures himmlischen Vaters seid, der seine Sonne für die Bösen ebenso aufgehen lässt wie für die Guten, und der seinen Regen unvoreingenommen auf alle, gleich ob gerecht oder ungerecht, fallen lässt. Denn welcher Verdienst liegt darin, denen Liebe zu zeigen, die euch liebevoll behandeln? ...
Worauf es ankommt ist, dass euch nicht weniger als Vollkommenheit geziemt, die Vollkommenheit eures himmlischen Vaters. (Matthäus 5, 38-48)
Die Haltung der katholischen Kirche schien mir widersprüchlich, was ihre Achtung der Worte Christi betraf. „Dies ist mein Leib“ und „Dies
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