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The Volunteer. Erinnerungen eines ehemaligen IRA-Terroristen (German Edition)

The Volunteer. Erinnerungen eines ehemaligen IRA-Terroristen (German Edition)

Titel: The Volunteer. Erinnerungen eines ehemaligen IRA-Terroristen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Shane O'Doherty
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waren.
    Ein paar Wochen später, nach Beginn des Jahres 1978, erfuhr ich zu meiner Enttäuschung, dass mein Brief an die „Republican News“ trotz allem, was ich für die IRA getan hatte, der Zensur zum Opfer fiel. Ich ärgerte mich über die Scheinheiligkeit, mit der die Republikanische Bewegung sich für die Befreiung des irischen Volkes einsetzte und gleichzeitig einem einzelnen Angehörigen dieses Volkes die Redefreiheit verweigerte. Also leitete ich unserer Lokalzeitung, dem „Derry Journal“ eine Kopie des Briefs zu. Ich ging davon aus, dass er in der Leserbrief-Rubrik abgedruckt würde, und dann hätte ich zu meiner Befriedigung wenigstens den Leuten in meiner eigenen Heimatstadt meine wirklichen Ansichten kundgetan.
    Am Freitag, den 19. Februar, als ich gerade einen Londoner Radiosender hörte, wurde jedoch zu meinem grenzenlosen Erstaunen in den Nachrichten von meinem Brief gesprochen, und nicht nur dort, wie ich feststellte, sondern auch auf allen anderen Nachrichtensendern. Am nächsten Tag wurde er in sämtlichen überregionalen Zeitungen erwähnt. Das „Journal“ hatte ihn auf der Titelseite abgedruckt:
     
    Als ich sechzehn Jahre alt war, erschien mir nichts so sehr als romantische Selbstaufopferung, wie entgegen aller Widrigkeiten für ein Ideal zu kämpfen. Also kämpfte ich. Dieser romantische und aufopferungsbereite Kampf diente natürlich auch meiner persönlichen Befriedigung – immer dachte ich dabei über mich selbst nach und was andere wohl von mir dachten, wenn ich zu ihnen nach Hause kam, wenn ich tanzen ging oder einfach nur die Straße entlang ging. Dabei musste ich mich unwillkürlich immer ein bisschen selbst bewundern. Es war, als sähe ich mich auf dem Fernsehschirm meiner eigenen Phantasie.
    Lange Zeit später war ich so sehr damit beschäftigt, mich um mich selbst zu kümmern, dass ich mich automatisch weniger um andere kümmerte, und wenn jemand durch mich verletzt wurde, konnte ich nicht allzu lange darüber nachdenken, weil ich an mich selbst und an die Risiken, die ich einging, denken musste.
    Ich missachtete die Menschenrechte derer, die ich verletzte, war aber zugleich sehr empfindlich, wenn es um meine eigenen ging.
    Indem ich Menschen verletzte, beseitigte ich keine Ungerechtigkeiten, sondern schuf neue.
    Es war mir nicht klar, dass meine jugendlichen Kampfaktivitäten nicht nur mit der christlichen Ethik, sondern auch mit den Grundsätzen der Demokratie und des Sozialismus unvereinbar waren, und damals, muss man sich vorstellen, sah ich mich selbst als demokratischen Sozialisten ...
    ... Ebenso wenig war es mir bewusst, dass ich durch meine Kampfhandlungen dem demokratischen Vorgang und dem Willen des Volkes zuwiderhandelte und ihm meinen Willen aufzwang. Im Grunde genommen habe ich meinen Landsleuten gesagt, sie wüssten nicht, was gut für sie sei – ich wüsste das am besten. Ich war fast so etwas wie ein linker Diktator.
     
    Weiterhin empfahl ich allen am Konflikt beteiligten Parteien einschließlich der Briten und der paramilitärischen Loyalisten, die Probleme zu erkennen, die mit der Gewalt verbunden waren, jede taktische Gewaltanwendung aufzugeben und sich gänzlich dem politischen Vorgehen zu widmen.
    Die Weigerung der „Republican News“, meinen Brief zu veröffentlichen, war also regelrecht nach hinten losgegangen! Nachdem ich mich von der IRA losgesagt hatte, verlor ich viele Freunde. So manche meiner IRA-Mithäftlinge in England ächteten mich von da an. Einige hätten mich am liebsten dafür verprügelt, dass ich offen meine Meinung sagte. Andere, die gleichzeitig mit mir in Einzelhaft waren und mit denen ich den kleinen Trainingshof jeden Tag eine Stunde lang teilte, redeten nicht mehr mit mir und sahen mich nicht mehr an, während sie sich aber mit den Wärtern, die sie einschlossen, oft unterhielten. Dieses Verhalten mir gegenüber war für mich zwar enttäuschend, aber kein Anlass zur Verbitterung, auch wenn es noch weitere sieben Jahre anhielt, bis ich nach Nordirland überführt wurde. Ich sah es als Begleiterscheinung der Haftzeit in England, wo wir ja alle so sehr isoliert waren und unser Durchhaltevermögen von Solidaritätsbezeugungen abhing. Es gab aber auch in England ein paar großzügig denkende IRA-Gefangene, die mich während meiner langen Einzelhaft-Zeiten beständig unterstützten, indem sie für meine Rückverlegung nach Nordirland protestierten.
    Diejenigen, die verbittert auf meine Forderung nach politischem Engagement der

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