The Volunteer. Erinnerungen eines ehemaligen IRA-Terroristen (German Edition)
Sicherheitsrisiko galten. Meine Argumente stießen jedoch auf taube Ohren. Der Hauptverwalter von Maghaberry, Duncan MacLachlan, war allerdings ein sehr zugänglicher und hilfsbereiter Mensch. Ihm war sehr daran gelegen, Maghaberry nach einem radikal modernen Konzept zu führen, aber er konnte diesen Wandel nur sehr behutsam vorantreiben, damit das Gefängnispersonal ihm auch wirklich folgte. Irgendwann ließ er mich wissen, ich sei nun als mittleres Risiko eingestuft, und er verschaffte mir eine interessante Tätigkeit: Blindschreiben und Textverarbeitung in der Braille-Abteilung.
Ich hatte regelmäßigen Kontakt zu meiner Familie, meinen Freunden und anderen aus meiner früheren Umgebung, was insgesamt in viel höherem Maß zu meiner Rehabilitierung beitrug als alles, was der Strafvollzug jemals mit Gewalt bei mir erreicht hätte. Meine Mutter war mittlerweile über siebzig, verwitwet, in Rente und erschöpft von all den Jahren, in denen sie hunderte Meilen zurücklegte, um mich in einem unfreundlichen englischen Gefängnis unter bedrückenden Sicherheitsvorkehrungen zu besuchen. Das machte mich richtig wütend, vor allem auch deshalb, weil Soldaten oder Polizisten, die in Nordirland Verbrechen begingen, mit sofortiger Überführung in ihr heimatliches England rechnen konnten.
Die Verwahrung irisch-republikanischer Gefangener in England ist absolut kontraproduktiv und wirkt äußerst strafverschärfend; Protestreaktionen dieser isolierten und schikanierten Gruppe bringen oft das ganze Haftsystem durcheinander. Ihre unschuldigen Familien müssen mit der völlig unverdienten Strafe leben, dass sie England abklappern müssen, um den Anschluss zu halten, wenn die Häftlinge dauernd zwischen den Gefängnissen hin und hergeschoben werden. So wie das Gefängniswesen in Nordirland derzeit ausgerüstet ist, kann es sowohl in materieller als auch in psychologischer Hinsicht mit paramilitärischen Häftlingen in einer Weise umgehen, die keine der beiden Seiten reizt oder herabwürdigt. Deshalb bin ich fest davon überzeugt, dass man irisch-republikanische Häftlinge unbedingt nach Nordirland verlegen muss. Für englische Gefängnisse wäre es eine riesige Erleichterung, wenn sie diese Leute endlich los wären, und für die Familienbeziehungen der Häftlinge würde deren Heimverlegung eine wesentliche Stärkung bedeuten. Zudem würde die Verbitterung zwischen der IRA und der britischen Regierung deutlich verringert.
Wenn Männer von ihren Familien und Freundeskreisen abgeschnitten werden, bekommen sie auch nichts mehr von den politischen Entwicklungen und Veränderungen mit, die allen anderen ganz natürlich und normal erscheinen. Als Folge davon bleiben sie in einer Zeitschleife der Verbitterung hängen, und das Gefängniswesen muss unglaublichen Aufwand betreiben, um sie mit noch mehr und noch repressiveren Sicherheitsmaßnahmen unter Kontrolle zu halten. Wenn man hingegen die Beziehungen zwischen den Häftlingen und ihren Familien und Freunden unterstützt und fördert, leistet man einen absolut notwendigen Beitrag zum Fortschritt auf dem Weg zu ihrer sozialen Eingliederung in Nordirland.
Die Gutachterkommission zur Überprüfung lebenslanger Freiheitsstrafen befasste sich 1986, 1987 und 1988 mit meinem Fall, gab aber keine Empfehlung, ein Entlassungsdatum festzusetzen. Im Jahr 1989 hatte ich vierzehn Jahre Haft verbüßt; mittlerweile war in der öffentlichen Meinung, was die Dauer der lebenslangen Haftstrafen für politische Gefangene betraf, ein beträchtlicher Druck entstanden, und mein Fall fand großes Interesse als Beispiel für jemanden, der Straftaten, aber keinen Mord begangen und trotzdem eine lebenslängliche Freiheitsstrafe bekommen hatte. Das Internationale Rote Kreuz entwickelte bei seiner jährlichen Runde durch die Gefängnisse Nordirlands besonderes Interesse an mir und schickte eine Anwältin namens Cristina Pellandini, die sich zur Mittagessenszeit mit mir in der Zelle einschließen ließ und sich alle meine Dokumente und Zeitungsausschnitte ansah. Mairead Corrigan-Maguire, die den Friedensnobelpreis bekommen hatte, kam mich als Vertreterin der Belfaster Friedensgruppe „Peace People“ oft besuchen, und ein angesehener Anwalt namens Joe Rice hatte mich auch schon vertreten. Schließlich wurde 1989 im vierten Anlauf ein Entlassungsdatum für mich festgesetzt und vom Nordirlandminister genehmigt.
Insgesamt brauchte ich vierzehneinhalb Jahre, um aus britischer Haft freizukommen. Als Vergleich dazu
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