The Volunteer. Erinnerungen eines ehemaligen IRA-Terroristen (German Edition)
Jugendlicher bei den Paramilitärischen, der entweder bei einer Schießerei sein Leben lässt oder für zehn, wenn nicht zwanzig Jahre ins Gefängnis kommt, ebenfalls ein Opfer, zwar anders als die Verletzten und Verstümmelten, aber nichtsdestoweniger ein Opfer. Ich begreife auch durchaus, dass die Gesellschaft von mir vielleicht nur drei Jahre Haft erwartete hätte, wenn ich mich auf den Handel eingelassen hätte, den die Polizei mir anbot, aber ich muss nun einmal damit leben, dass ich mehr als vierzehn Jahre Gefängnis hinter mir habe.
Jeder, der eine Langzeit-Freiheitsstrafe verbüßt hat, muss sowohl seine Haft als auch seine Vergangenheit überwinden; er muss es schaffen, ein Mensch zu werden, der sich für das Gemeinwohl einsetzt. Neben all den negativen Erkenntnissen von Bestrafung, Rache der Gesellschaft und langandauernder Schikane ist die positivste Auslegung, die man mit der Haft verbinden kann, dass sie einen darauf vorbereiten sollte, sich wieder ein verdienstvolles Leben aufzubauen. Ich habe vier Jahre an der Universität studiert und Prüfungen bestanden. Außerdem habe ich verschiedene Nebentätigkeiten, darunter auch journalistische, ausgeübt, um meine magere Studienhilfe aufzubessern und meinen Lebensunterhalt zu bezahlen. Ich habe nie Arbeitslosengeld bezogen und habe dem Steuerzahler auch nie auf der Tasche gelegen (außer in der Hochsicherheitsverwahrung, wo ich den Steuerzahler sehr teuer zu stehen kam). Dass ich gearbeitet und mein Leben in den Griff bekommen habe, ist positiv und kann andere ermutigen, die nach mir aus der Haft entlassen werden. Zudem gibt es ja auch Menschen, die sich mit Strafrechtswissenschaft oder Kriminologie befassen und glauben, dass Gefängnisse keine Fabriken sein sollten, in denen man Straftäter durch beständiges Foltern zu Opfern macht und ihre Fähigkeit zerstört, ein normales Leben zu führen. Denen kann mein Fallbeispiel zur Motivation dienen. Ich finde nicht, dass ich mich dafür entschuldigen muss, dass ich versuche, ein nützliches Leben zu führen.
Ich engagiere mich für Versuche, eine friedliche Lösung für die Probleme zu finden, die die britisch-irischen Beziehungen umgeben. Seit meiner Entlassung habe ich im Widerspruch zu all den Stimmen, die sich dagegen geäußert haben, weder einem Menschen durch Bomben oder Schüsse Schaden zugefügt noch Hassgefühle gegen jemanden empfunden. Überhaupt habe ich von keinem einzigen der aus der Haft entlassenen Gefangenen des Nordirlandkonflikts gehört, dass er noch irgendwelchen Ärger gemacht hätte. Ich habe mich bemüht, verfeindete Seiten zu Friedensgesprächen zu ermutigen, habe Artikel in diesem Sinne für die Presse geschrieben und in Radio- und Fernsehsendungen darüber gesprochen. Die paramilitärischen Kriegsführer können mit einer einzigen Bombe oder einem einzigen Schuss das politische Gerüst, das man ohne sie errichtet, niederreißen. Deshalb ist es meiner Meinung nach völlig sinnlos, ein Friedensabkommen vorzubereiten, ohne dass man sie daran beteiligt. Beide Staaten, die Republik Irland und Nordirland, verdanken ihre Entstehung der Gewalt, der Androhung von Gewalt und dem Einfluss von gewaltbereiten Männern, und beide Staaten verklären ihre Erinnerung. Die Geschichte der britischen Einmischung in irische Angelegenheiten ist nun einmal nichts anderes als eine Geschichte der Gewalt!
Ich habe immer wieder die Überzeugung vertreten, dass es einen Weg zum Frieden für Nordirland gibt. Mir scheint auch, dass alle drei Beteiligten in gleichem Maße für den Konflikt verantwortlich sind. Dass all die Gewaltexzesse in Nordirland auf das Konto der IRA gehen, ist ein Hirngespinst britischer Propaganda.
Die ersten beiden Morde, die während meiner Kindheit begangen wurden, waren die an zwei Katholiken, John Patrick Scullion und Peter Ward. Die Täter waren von der protestantischen paramilitärischen Organisation „Ulster Volunteer Force“. Ich war damals elf Jahre alt, und die neue IRA bildete sich erst drei Jahre später. Die ersten Bomben dieses Konflikts, die in Nordirland explodierten, waren auch keine der IRA, sondern sie kamen von paramilitärischen Protestanten. Es war ihr Protest gegen die Regierung von Terence O’Neill, der sich den Ruf erworben hatte, dass ihm sehr viel an besseren Beziehungen zur Republik Irland und zu den nordirischen Katholiken gelegen war. Der erste Polizist, der erste Kirchenvertreter, der erste Politiker, der erste Anwalt und der erste Feuerwehrmann in
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