The Volunteer. Erinnerungen eines ehemaligen IRA-Terroristen (German Edition)
Flughafen verlief ereignislos, und im Sicherheitsbereich des Flughafens hörte ich, wie im irischen Radio meine Rückverlegung Schlagzeilen machte. Auch der Flug verlief ganz normal, und ich dachte zurück an den Flug vor zehn Jahren mit der britischen Luftwaffe von Irland nach England, als ich befürchtete, ich würde Irland nie mehr wiedersehen. Nun war ich das erste Mal seit so langer Zeit beinahe glücklich. Meine Ankunft jedoch war ein böser Rückschlag für alles, was sich bis dahin so gut entwickelt hatte.
EINE BITTERE FRUCHT
Am Flughafen Belfast wühlten sich bewaffnete Polizisten und Soldaten durch den Mittelgang des Flugzeugs bis zu unseren Plätzen ganz hinten durch, verpassten mir Handschellen und führten mich mit völlig übertriebenem Sicherheitsbrimborium hinaus. Polizei- und Armeejeeps, ein Panzerfahrzeug, Soldaten und Polizisten warteten auf dem Asphalt. Man schubste mich in den Panzerwagen und fuhr mich im Konvoi zum Gefängnis Long Kesh. Zwar versuchte ich zu protestieren, weil meine Sicherheitsstufe in England heruntergesetzt worden war, aber darüber lachten sie nur und sagten, das Nordirlandministerium träfe seine eigenen Entscheidungen unabhängig.
Die Verantwortlichen in Long Kesh waren anscheinend völlig überzeugt von meiner bösartigen Gefährlichkeit. Im Prinzip hatten paramilitärische Republikaner und Loyalisten, die jeweils eigene Gebäudeflügel unter ihrer Kontrolle hatten, im Gefängnis das Sagen. Ein Mitglied der Anstaltsleitung sagte mir, er ginge davon aus, dass ich in dem der IRA zugewiesenen Block untergebracht werden müsste. Doch ich antwortete, ich hätte keinerlei Absicht, dort hinzugehen, denn schließlich war ich kein Mitglied mehr und wollte der IRA zu keinen solidarischen Handlungen mehr verpflichtet sein. Daraufhin meinte er, dass er mich dann eigentlich nirgends hinschicken könnte. Es gab nämlich nur noch einen Flügel für Sexualstraftäter, in dem sich auch zwei oder drei paramilitärische loyalistische Protestanten, die Meinungsverschiedenheiten mit denen im Loyalisten-Block hatten, und ein paar Republikaner mit vergleichbarem Hintergrund befanden. Ich sagte, dort wollte ich hin, aber er schickte mich für die erste Nacht in Einzelhaft. Am nächsten Morgen wurde ich wieder gefragt, ob ich nicht in den IRA-Flügel wollte. Ich wollte aber nicht, und so brachte man mich schließlich zu den „Gemischten“.
Dort traf ich auf zwei bekannte Loyalisten, „Junior“ McClelland und „Rab“ Turner, die mich mit vorsichtiger Höflichkeit begrüßten. Sie begannen mir zu erzählen, dass sie, seit sie aus den von den paramilitärischen Gruppen kontrollierten Blocks heraus waren, ständig von den Wärtern schikaniert wurden, die sich nicht trauten, ihnen in den anderen Blocks etwas anzutun; sie sagten, ich solle auf der Hut sein. Wenige Minuten nach dieser Unterhaltung gab es von einem Wärter eine Beschwerde gegen Rab wegen unflätiger Ausdrucksweise, und er wurde bis zu seiner offiziellen Abmahnung am nächsten Morgen in Einzelhaft gebracht. Ich hatte gesehen und gehört, dass er gar keine unflätige Ausdrucksweise benutzt hatte, und bot an, das auch zu bezeugen. So konnte Rab die Beschwerde widerlegen, und danach bauten wir eine Art Solidarität unter uns dreien auf. John Dornan und Stevie Berry, letzterer ein ehemaliger Anführer der INLA (Irish National Liberation Army), waren mir ebenfalls eine große Hilfe. Innerhalb weniger Monate bemerkten viele in den IRA- und Loyalistenblocks, die sich von den Paramilitärischen entfremdet hatten, dass wir auch ohne diese überleben konnten, und so wuchs die Anzahl solcher Leute unter den „Gemischten“.
Von einem Tag auf den anderen hatte ich nichts als Ärger in Long Kesh. Ich kannte mich einfach zu genau mit britischen und europäischen Vorschriften über die Behandlung von Häftlingen aus und machte die Verantwortlichen der Gefängnisleitung dauernd auf Regelungen aufmerksam, die sie einhalten mussten. Sie waren auch nicht gewohnt, jemanden bei sich zu haben, der ständig mit Prominenten über jede Einzelheit des Lebens im Strafvollzug korrespondierte. Man kann deshalb ohne Übertreibung sagen, dass ich in Long Kesh absolut verhasst war. Ich empfand die religiöse Bigotterie und Diskriminierung als genauso schlimm wie vor zehn Jahren in Belfast im Gefängnis an der Crumlin Road. Da ich dauernd Häftlinge bei den Gemischten ermutigte, Anwälte zu konsultieren, Parlamentsabgeordnete anzuschreiben und sich für ihre
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