The Volunteer. Erinnerungen eines ehemaligen IRA-Terroristen (German Edition)
Bereitschaft waren. Ich hatte mich so sehr in meinen eigenen Privatkrieg hineingesteigert, dass mir gar nicht auffiel, dass ich die einzige Person in diesem Niemandsland war, wo sich zuvor der Tumult abgespielt hatte, und dass ich von Heckenschützen der Armee mit Nachtsichtbrillen beobachtet wurde. Während ich herumtrödelte und auf eine Gelegenheit zum Schießen wartete, ließ ich den Revolver in der Manteltasche, weil ich die Soldaten sehen konnte und sie mich ebenfalls. Nach einer Weile ließ ich den Plan fallen und verzog mich.
Es versetzte mir einen beträchtlichen Schock, als ich am nächsten Abend von meinen IRA-Offizieren hörte, dass Leute, die in der William Street neben dem Armeeposten wohnten, an der Tür gestanden hatten, nachdem ich die Schüsse abgefeuert hatte – die Leute hatten gehört, wie die Heckenschützen der Armee ihren Offizieren von einem verdächtig agierenden Jugendlichen berichteten. Die Leute hörten die Armeeoffiziere auch sagen, dass die Soldaten schießen sollten, wenn ich eine Waffe hervorholte. Die ganze Zeit hatte ich nichts davon geahnt, dass man mich mit Nachtsichtbrillen beobachtete. Nun musste ich über mein knappes Entkommen gründlich nachdenken, und ich musste den Wert meines Lebens gegen die Wichtigkeit meines Angriffs auf die britische Armee abwägen.
Tatsächlich war mir mein Leben gar nicht besonders viel wert, und in meiner jugendlichen Leidenschaft war ich absolut bereit, es in einem Einsatz, welcher Art auch immer, gegen die britische Besatzungsmacht zu verlieren. Ich war uneingeschränkt bereit, zum Märtyrer zu werden, was mir auf ewig einen Platz in der Erinnerung meines Volkes sichern würde, aber ich musste mir eingestehen, dass erhöhte Vorsicht doch angebracht war und die britische Armee keine Kinderspielchen betrieb.
Etwa um diese Zeit herum fand auch mein erstes IRA-Trainingslager statt. Ich sagte also meinen Eltern, ich würde mit Freunden, die ich in der Gaeltacht kennengelernt hatte, ein Wochenende in Dublin verbringen. Zusammen mit einigen anderen sollte ich in einem Dorf außerhalb von Derry an der Hauptstraße auf die Autos warten, die uns dann zu einem Bauernhof bringen würden. Dort sollte es für uns eine spezielle Ausbildung im Gebrauch von Waffen und Sprengsätzen geben. Ich ging also zusammen mit meinen Freunden aus der Waterside, aus deren Einheit ich auf meinen eigenen Wunsch wegversetzt worden war. Wir beschlossen, uns unauffällig unter Bäumen und Büschen am Dorfrand aufzuhalten, um keinerlei Aufmerksamkeit auf uns zu ziehen. Ich selbst hatte es besonders leicht, mich optisch in die Landschaft einzufügen, da ich trotz der dringenden Anordnung, auf jeden Fall ganz normal angezogen aufzutreten, der Versuchung nicht hatte widerstehen können – ich trug nämlich eine grüne Nahkampfjacke, ebensolche Hosen und dazu Armeestiefel, alles mehrere Nummern zu groß für mich!
Wir warteten stundenlang, aber niemand kam, und schließlich entschied der Sektionsführer der Waterside, dass wir zurückgehen sollten. Es war ein sehr langer Marsch, besonders wenn man Schuhe und Kleider trug, die gar nicht passten. Ich habe keine Ahnung, was ich Soldaten oder Polizisten gesagt hätte, die uns womöglich angehalten und wegen meiner Uniform befragt hätten, aber das Glück war mir hold. Unbehelligt schaffte ich es bis nach Hause und beschloss, diese Montur nie wieder anzuziehen. Ich hatte auch noch Zeit, mich umzuziehen, bevor ich mich meinen Eltern zeigte und angab, ich hätte es nicht geschafft, nach Dublin zu trampen. Am nächsten Tag hörte ich, dass die Fahrer mehrmals die Straße hinauf- und hinuntergefahren waren, ohne uns zu sehen. Sie hatten dann angenommen, dass wir gar nicht gekommen seien. Unsere Tarnung hatte zu gut funktioniert! Diese Geschichte von der „extrem vorsichtigen Einheit aus Derry“, die im Gelände zu gut getarnt war, lieferte noch monatelang Stoff für Gelächter.
Die zweite Abholung zum Trainingslager klappte schließlich, aber das Training selbst war für mich ein Desaster, denn der Ausbilder bestand darauf, dass ich eine Nachtübung mitmachen sollte. Ich erklärte ihm, dass ich nachtblind bin, d. h. bei Tag kann ich tadellos sehen, aber nachts bin ich blind wie eine Fledermaus. Er wollte davon aber nichts hören. Meine Freunde kannten meine Schwäche und einer versprach, mich zu führen, aber es ging alles schief. Ich fiel über jedes kleine Hindernis, ich prallte vor jedes größere; ich stürzte einen abschüssigen
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