The Volunteer. Erinnerungen eines ehemaligen IRA-Terroristen (German Edition)
schon zurück, denn in dieser Hinsicht hatte ich ihm ja nichts versprochen. Ich musste eben nur höchst vorsichtig sein und den Anschein eines ganz normalen Lebens aufrechterhalten, was mir auch gelang. Mein Geländelauf-Training, meine Chorproben und Jugendklub-Aktivitäten machten es mir immer möglich, Vorwände für Zeiten zu finden, die ich woanders verbrachte.
Mein Freund und Held während dieser Monate war Eamonn Lafferty, der Befehlsführer der Creggan-Einheit, der ich gerade neu zugeteilt worden war. Er war jung, gutaussehend und feurig und widmete sein Leben hundertprozentig der Befreiung Irlands von der britischen Besatzungsmacht. Eigentlich wohnte er ganz in der Nähe der Clarendon Street, aber ich wusste, in welchem Haus in Creggan er sich immer aufhielt, um von dort aus einen zunehmend heftigen Feldzug zu leiten, an dem er sich natürlich auch selbst beteiligte.
Als ich ihn kennenlernte, bat ich ihn inständig, mich nicht aufgrund meines jugendlichen Alters zu unterschätzen, weil ich schon mehr Einsatz gezeigt hatte als die meisten anderen und weil ich wild entschlossen war, aktiv zu handeln. Er lachte und hörte sich alles gutmütig an. Dann fragte er mich, ob ich etwas für ihn tun könne. Ich antwortete, ich würde alles tun, egal, was es sei. Daraufhin erzählte er, es habe jemand aus Furcht vor möglicher Überwachung eine Bombe hinter einer Mauer des Krankenhauses am oberen Ende der Clarendon Street, wo ich wohnte, provisorisch abgelegt. Er fragte, ob ich diese wohl sicher dort wegholen könne. Ich versicherte ihm, das könne ich garantiert, und machte mich sofort auf den Weg.
Es war ganz einfach, die Gegend auszuspähen, über die Mauer zu klettern, die Schultertasche mit der Bombe in den Büschen zu finden und sie nach Creggan zurückzubringen. Eamonn war sehr zufrieden damit, wie schnell und furchtlos ich die Aufgabe erledigt hatte, und versprach, mich nicht wegen meiner Jugend zu benachteiligen. Ich glaubte, dass er über zwanzig Jahre alt sein müsse, da er so gereift und ernsthaft erschien und so gut zu führen verstand.
Kaum hatte ich jedoch Eamonns Vertrauen gewonnen, wurde ich hintergangen. Eines Abends sagte man mir, ein führender Vertreter der Sinn Féin wolle mich treffen, um mich für die Politik zu gewinnen und mir umgehend eine Tätigkeit beim Piratensender Radio Saoirse (Freiheit), der damals aus einer Straße namens Rathlin Drive sendete, anzubieten.
Mir blieb keine Wahl als dort hinzugehen und mit diesem Mann zusammenzutreffen, der sich als ernsthafte, priestergleiche Person mit Tweedjackett und schütter werdendem Haar erwies, für den die Sinn Féin alles bedeutete. In der IRA sah er einen Mechanismus von zeitweiliger Bedeutung, der dem Aufstieg der Sinn Féin entweder hilfreich oder hinderlich sein konnte. Trotz seines Aussehens, so wie ich es hier beschrieben habe, war er ein ehrenwerter Herr von beachtlicher Bildung und politischem Scharfsinn, der eine vorausschauende Art hatte. Ich mochte ihn sofort und hatte viel Respekt vor ihm.
Er sagte mir aber all das, was ich nicht hören wollte. Ich war Schüler des St Columb’s College, verfügte über Intelligenz und gute Erziehung und kam aus einer guten Familie. Voller überwältigender und zugleich verwirrender Aufrichtigkeit fragte er mich, ob ich ihm nicht zustimmte: jeder konnte eine Waffe abfeuern oder eine Bombe legen, aber nicht jeder hatte die nötige Eignung für politisch aktive Arbeit und besaß die Fähigkeit, sich im Gefecht mit Leuten wie John Hume und britischen Politikern zu schulen. Konnte ich nicht sehen, wie tragisch es war, dass all das jugendliche Talent zur IRA drängte statt zur Sinn Féin? Und war nicht die IRA nur ein zeitweiliges Werkzeug, während die Sinn Féin-Partei auf ihrem Weg in die Zukunft das wichtigste, vorwärtsgerichtete Vehikel der Freiheit Irlands darstellte? Hatte die Sinn Féin nicht einen Anspruch darauf, all das junge Blut, das zur IRA strömte, für politische Arbeit heranzubilden? Konnte ich nicht erkennen, dass der bewaffnete Kampf, der sich abzeichnete, gar nichts erreichen würde, wenn nicht eine starke politische Partei die republikanischen Ideale in die Realität der politischen Sphäre übertrug? Wo sollten denn die politischen Verhandlungsführer herkommen, sobald die Zeit der Gewehre und Bomben vorüber war? Wo sollte denn politische Führung ihren Anfang nehmen, wenn es jedem gestattet war, mit Schusswaffen und Bomben zu spielen?
Schließlich gestattete er mir,
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