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The Volunteer. Erinnerungen eines ehemaligen IRA-Terroristen (German Edition)

The Volunteer. Erinnerungen eines ehemaligen IRA-Terroristen (German Edition)

Titel: The Volunteer. Erinnerungen eines ehemaligen IRA-Terroristen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Shane O'Doherty
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Teil des Geländes hinunter in eine Wassermulde hinein, bis der Ausbilder endlich die Tatsache akzeptierte, dass ich außer den Straßenlaternen gar nichts sehen konnte. Deshalb durfte ich mit Hilfe meines Freundes, der mich führte, zum Bauernhaus zurücklaufen, während die anderen mit geladenen Gewehren durchs Gelände geschleift wurden.
    Mir kam das alles total sinnlos vor. Ich war ein Junge aus der Stadt, und meine Ausbildung hätte stadtbezogen sein müssen. Schließlich hatte ich nicht die geringste Absicht, jemals blind im Gelände zu kämpfen, und erst recht nicht nachts. Mein Freund und ich saßen dann während der zwei Stunden, die die anderen noch draußen zubrachten, teetrinkend im Bauernhaus vor dem Torffeuer.
    Einige Zeit, nachdem die anderen zurück waren, wurde uns feierlich verkündet, dass der oberste Stabschef der Irisch-Republikanischen Armee persönlich in unserem Trainingslager erscheinen würde. Für Freiwillige aus Derry war es wohl das erste Mal. Wir mussten in einer Reihe, bei der ich am Ende stand, in Habachtstellung auf den großen Augenblick warten. Es kam ein mittelgroßer Mann mit kurzem Haar, funkelnden Augen und betont militärischer Haltung herein, den zwei hünenhafte Leibwachen überragten. Er schritt die Reihe ab und stellte jedem Freiwilligen eine Frage, bis er denjenigen direkt neben mir erreichte. Mein Herz schlug wie wild, während ich die Sekunden zählte, bis ich endlich die Bekanntschaft Sean MacStiofains höchstpersönlich machen sollte, eines Mannes, dessen geflüsterter Name schon die gesamte Aura aller patriotischen Mystik in sich trug. Ich studierte innerlich meine Sätze ein: „Ja, Sir, ich bin ein Patriot! Ich will für Irland kämpfen! Ich bin bereit, für Irland zu sterben!“ Diese Sätze würden deutlich machen, dass ich zum Offizier geboren war.
    Ich konnte es kaum glauben, als er sich ohne ein Wort zu mir abwandte und seinen Leibwachen sagte, er müsse jetzt unverzüglich gehen. Am liebsten wäre ich frech und leidenschaftlich geworden; ich hätte ja sofort sagen können: „ He, Sie! Ich habe wahrscheinlich schon mehr Bomben gelegt und gezündet als Sie!“ Doch ich sagte nichts und schluckte meine Enttäuschung stumm hinunter. Meine Kameraden machten natürlich Bemerkungen darüber, dass er jeden außer mich zur Kenntnis genommen hatte. Darin sah ich eine Art Bestrafung für meine unmännliche Nachtblindheit.
    Es gehörte als selbstverständlich zu jedem Trainingslager, dass man während der Nachtstunden Einzelwache machen musste, um beim Auftauchen von Polizisten oder Soldaten schnell warnen zu können. Jedes Fahrzeug, ob Auto oder Jeep, ob allein oder zu mehreren, das sich auf der völlig abgelegenen Straße dem Bauernhof näherte, musste als feindlich betrachtet werden, und man musste warnen, damit Waffen und Sprengstoffe möglichst schnell beiseite geschafft werden konnten. Theoretisch war das gut ausgedacht, aber in der Realität war es ziemlich schwer, die Entfernung und Zielrichtung von Scheinwerfern einzuschätzen, die das Gelände streiften. Außerdem konnte niemand erkennen, wo die abgelegene Straße endete und irgendeine andere anfing, so dass es alle zwanzig Minuten neuen Alarm gab und keiner zum Schlafen kam. Immer wieder gab es Geschichten von erschreckten Wachposten, die Schüsse auf feindliche Eindringlinge hinter den Hecken abfeuerten. Beim hastigen Überprüfen erwiesen sich die Eindringlinge als neugierige Kühe, und die Schüsse trafen ohnehin nicht.
    Als wir wieder in Derry waren, wurde für einen Abend ein Trainingsmanöver unter freiem Himmel mitten in Creggan geplant. Es sollte eine öffentliche Demonstration unserer Stärke sein, und zugleich wollte die noch in den Kinderschuhen steckende Provisional IRA damit ihr Territorium abstecken. Man brachte alle verfügbaren Waffen und einen Großteil der Munition zu einem Haus an der Hauptstraße, und die Offiziere und einige andere legten die Waffen an, rannten über die Straße zu einer großen Wiese, die an eine Kirche und eine Schule angrenzte, und schlängelten sich auf Ellbogen und Knien vorwärts bis zur Mitte des Grasfeldes. Ich weiß noch, dass man ziemlich alte amerikanische M1-Karabinergewehre, eine halbautomatische Thompson-Maschinenpistole, die besser in ein Museum in Chicago gepasst hätte, vielleicht auch noch ein morsches Garand-Gasdruckladegewehr und eine ebenso verfallene 303 hatte. Da ich kein Offizier war, durfte ich keins dieser erlesenen Stücke handhaben und auch

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