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The Volunteer. Erinnerungen eines ehemaligen IRA-Terroristen (German Edition)

The Volunteer. Erinnerungen eines ehemaligen IRA-Terroristen (German Edition)

Titel: The Volunteer. Erinnerungen eines ehemaligen IRA-Terroristen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Shane O'Doherty
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hineinführten, als Reaktion auf die Internierungsmaßnahmen beträchtliche Barrikaden aufgetürmt worden waren, an denen die britische Armee tagsüber nicht vorbeikam – normalerweise erst nach Mitternacht, und dann drangen sie in Häuser ein und verhafteten Leute, um sie zu verhören. Mitglieder der Official und der Provisional IRA hatten deshalb nächtliche Patrouillen eingerichtet, um bei einem Einfall der britischen Armee ins Ghetto Widerstand zu leisten. Die Official IRA hatte richtige Waffen wie AK47-Angriffsgewehre und auch „schweres“ Material, darunter mindestens ein Browning .500-Maschinengewehr. Es hieß, sie hätte auch eine raketenangetriebene Bazooka-Panzerfaust. Als Eamonn und ich einmal an der Barrikade an der Hauptstraße in Creggan stehengeblieben waren und neidisch auf ihre Waffen schauten, hatte ein Freund von mir, der den Officials angehörte, mit mir über einen möglichen Tauschhandel gesprochen, da sie Munition brauchten.
    Meine Familie war nach Donegal in den Urlaub gefahren. Ich war ja immer noch ein Teenager und hatte vorgegeben, mir sei die Aussicht auf mehrere Wochen auf dem Land in Donegal zu langweilig, ich wolle lieber zuhause bleiben, mir einen Ferienjob suchen und etwas Taschengeld verdienen. Mein Vater hatte meinen Arbeitswillen begrüßt und mir gestattet, zuhause zu bleiben. Ich fand auch tatsächlich Teilzeitarbeit in einem Restaurant und verdiente ausreichend Geld. Da ich bei der Arbeit absolut tadellos war, bekam ich auch sehr gutes Trinkgeld. Die Nächte verbrachte ich aber in Wirklichkeit meist in dem Haus, in dem Eamonn sich aufhielt. Ich begleitete ihn bei Patrouillenfahrten in seinem Auto bis in die frühen Morgenstunden hinein. Bei Tagesanbruch fuhren wir manchmal zu einer Bäckerei in der Bogside, wo wir uns mit frischen Brötchen versorgten, die wir vor dem Schlafengehen mit heißem, gesüßtem Tee zu uns nahmen. Genauso hielten wir es auch in der Woche nach der Einführung der Internierungspolitik.
    Jemand hatte ein nagelneues .303-Gewehr mit Teleskop mit nach Derry gebracht, und Eamonn trainierte damit und hatte es sich grundsätzlich angeeignet. Meist trug er es auf den nächtlichen Kontrollgängen mit sich herum. Wir hatten bei den Barrikaden auch wieder mit dem Mann der Official IRA an der Hauptstraße gesprochen, und er hatte uns erzählt, die britische Armee würde auf jeden Fall mit Gewalt ins Ghetto eindringen, um so viele Barrikaden wie möglich zu beseitigen. Er sagte, seine Einheit würde sich um das Ende der Hauptstraße von Creggan kümmern.
    Eamonn sagte mir, er habe ebenfalls erfahren, dass man später in der Nacht ein großes Armeekommando erwartete und dass es wohl ziemlich ernst zur Sache gehen würde. An diesem Abend war ich besonders müde, weshalb er vor dem Haus, das sein Unterschlupf war, anhielt und darauf bestand, dass ich mir im Wohnzimmer auf einem Sessel etwas Schlaf gönnte. Er wollte mich dann später abholen. Als ich im Sessel saß, schlief ich sofort ein. Ich rechnete natürlich damit, dass ich geweckt werden würde, um meinen Beitrag zur Verteidigung zu leisten. Aber nicht Eamonn weckte mich, sondern mein Sprenglehrer, der sagte: „Shane – sie haben Eamonn erwischt. Sie haben Eamonn in einem schweren Gefecht in der Kildrum-Gardens-Straße totgeschossen.“
    Schlaftrunken und durcheinander wie ich war, erschien mir diese Nachricht so unwirklich, dass ich sie kaum aufnehmen konnte. Ich verließ sofort das Haus und begab mich nach Hause, was genauso dumm wie gefährlich war, weil britische Soldaten dabei waren, Barrikaden mit mechanischen Geräten auseinanderzunehmen. Dabei hatten sie Deckungsschutz von überdrehten Männern, die gerade eben erst an zwei Dutzend verschiedenen Schießereien beteiligt gewesen waren. Trotzdem ging ich durch Nebenstraßen nach Hause, ging ermattet zu Bett und schlief, geistig und körperlich abgekämpft, ein. Ich war mir sicher, dass Eamonn mich nicht dabeihaben wollte, weil er mich – gleich, was er mir sagte – eben doch nur als ein Kind ansah. Ich wäre ja weder bereit noch fähig gewesen, die Heftigkeit des Schießgefechts dieser Nacht durchzustehen, nicht zuletzt wegen meiner Nachtblindheit.
    Als ich erwachte, erfuhr ich, dass Leutnant Eamonn Lafferty tatsächlich tot war – er war beim Versuch, Creggan zu verteidigen, gefallen. Eamonn war neunzehn Jahre alt und der erste IRA-Volunteer, der bei einem Gefecht in Derry getötet worden war. Gleichzeitig berichteten die Nachrichten, dass die

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