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The Volunteer. Erinnerungen eines ehemaligen IRA-Terroristen (German Edition)

The Volunteer. Erinnerungen eines ehemaligen IRA-Terroristen (German Edition)

Titel: The Volunteer. Erinnerungen eines ehemaligen IRA-Terroristen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Shane O'Doherty
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unsere Ehre bezeugen und die Trikolore über Nacht auf dem Sarg liegen lassen, müssten sie aber am frühen Morgen, bevor jemand kam, wieder entfernen. Darauf ließen wir uns ein.
    Der große X und ich betraten die Kathedrale durch einen Seiteneingang, begaben uns eilig zu dem Sarg, breiteten die Trikolore darüber und erwiesen Eamonn die letzte Ehre. Wir wollten gerade wieder gehen, als der Priester fürs Grobe, der sich draußen aufgehalten hatte, uns warnte, dass die Soldaten uns anscheinend bemerkt hätten und dabei seien, sich an den Toren des Kathedralgeländes einzufinden. Er ließ uns schnell durch einen Nebenausgang hinaus, und so kamen wir unbehelligt davon.
    Früh am nächsten Morgen begab ich mich wieder in die Kathedrale, nahm die Trikolore fort und brachte sie der Familie zurück, von der ich sie ausgeliehen hatte. Dann ging ich zurück, um mir die Leute von außerhalb anzusehen, die die Beerdigung abwickelten. Als der Sarg aus der Kathedrale getragen wurde, stellte sich heraus, dass sie überhaupt keine Sargfahne mitgebracht hatten! Also rannte ich wieder die Viertelmeile zu dem Haus, wo ich sie kurz zuvor erst wieder abgegeben hatte, um sie nochmals auszuleihen. Ich rannte zurück und übergab sie diesen Trotteln. Anschließend konnte ich den Anblick absolut nicht ertragen, wie sie völlig aus dem Rhythmus gerieten, als sie auf dem Weg zum Friedhof die von Tausenden gesäumten Straßen entlang marschierten. „Die können ja noch nicht ’mal im Takt marschieren!“, dachte ich angewidert und ging fort.
    Ein paar Jahre lang glaubte ich, ich hätte mich nach Eamonns Tod verbittert von der IRA abgewendet, und dass der Ansturm all der vielen neuen Volunteers, die der IRA beitraten, mich in eine Nebenrolle gedrängt hätte. Mittlerweile jedoch ersehe ich aus den Zeitungsberichten, dass ich tatsächlich noch zehn bis zwölf Wochen lang Bombeneinsätze ausführte. So gingen zum Beispiel in der Woche nach Eamonns Begräbnis innerhalb von achtundvierzig Stunden sechs Bomben in der Stadtmitte hoch und beschädigten eine ganze Reihe von Gebäuden.
    Für einen jener Abende hatte ich geplant, eine Bombe in einem Regierungsgebäude zu legen, das sich neben einem hell erleuchteten Geschäft befand. Ich wollte die Zündschnur der ziemlich unhandlichen Zehn-Pfund-Bombe anstecken, diese dann durch das Erdgeschossfenster werfen und davonrasen. Ich hatte auch jemanden gefunden, der bereit war, mich dorthin zu fahren. Im letzten Moment wurde ich dann angewiesen, noch einen anderen Mann mitzunehmen, der in dem Geschäft daneben eine Bombe legen wollte. Unterwegs im Auto fiel mir auf, dass die Bombe des anderen Mannes unfachmännisch verdrahtet war, so dass der Sprengpulverkern nicht mit den Streichhölzern entzündet werden konnte. Ich machte ihn darauf aufmerksam und wir tauschten die Bomben, weil ich dachte, ich könnte es irgendwie schaffen, seine doch noch in Gang zu bringen.
    Am Einsatzort ließ uns der Fahrer heraus und fuhr dann fort. Mein Kumpel begab sich mit meiner Bombe zu dem Geschäft, zündete sie, und als er die ersten Funken sprühen sah, rannte er über die Straße und verschwand in der Dunkelheit. Währenddessen stand ich auf dem von dem Geschäft erleuchteten Gehweg vor dem Regierungsgebäude und mühte ich mich damit ab, seinen nutzlosen Zünddraht in Brand zu stecken. In einiger Entfernung waren Leute auf der anderen Straßenseite dabei, sich die Schaufenster anzusehen, aber sonst war niemand anders in der Nähe. Eine lange Reihe Autos parkte am Straßenrand.
    Plötzlich bemerkte ich aus dem Augenwinkel, dass etwa hundert Meter von mir entfernt eins der Autos geräuschvoll aus der Parklücke schoss und auf mich zugerast kam. Mir war sofort klar, dass es eine Zivilstreife war, die zwecks Verhinderung möglicher Bombenanschläge just dieses Regierungsgebäude und die angrenzenden Läden observierte. In dem Augenblick, wo ich den Motor des Autos aufheulen hörte, flitzte ich auch schon über die Hauptstraße hinweg in eine Nebenstraße hinein, wo viele Autos dicht hintereinander parkten. Ich versteckte mich sofort hinter einem, das ganz nahe bei der Straßenecke stand. Die nutzlose Bombe hielt ich immer noch an mich gedrückt. Die Zivilstreife kam kreischend um die Ecke gerast, schoss an meinem Versteck vorbei etwas weiter die Straße hinunter und hielt an, als die Insassen merkten, dass sie mich verloren hatten.
    In diesem Augenblick glaubte ich, ich müsste mich jetzt ergeben – schließlich waren die

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