The Volunteer. Erinnerungen eines ehemaligen IRA-Terroristen (German Edition)
solchen Orten, wo die Polizei und die Armee nichts dergleichen vermutete und wo das Kommen und Gehen von Einzelpersonen nicht weiter auffiel. Ich fand schließlich einige passende Orte und schaffte meine Ausrüstung dorthin, um neue Sprengsätze zu bauen und zu lagern. Und nun konnte ich beginnen, Leute für Einsätze zu trainieren.
Ich musste Lehrgänge für bereits Erfahrene und auch solche für neue Sprengstoff-Interessierte veranstalten, was viel Zeit in Anspruch nahm. Immerhin war es möglich, einen zwei- oder sogar dreitägigen Wochenend-Lehrgang in einem Haus in Derry durchzuführen, aber die Zeiten, in denen man die Leute dazu in entlegene Landstriche von Tyrone, Antrim, Derry und Donegal mitnehmen konnte, waren so gut wie vorbei.
Acht oder neun Monate lagen zwischen meiner Rückkehr nach Derry als Sprengstoff-Offizier der Brigade und dem Beginn des Waffenstillstands der IRA von Dezember 1974 bis Mitte 1975. Während dieser Zeit arbeitete ich ununterbrochen an einer der effizientesten todbringenden IRA-Kampagnen, die Derry je erlebt hatte. Die Brigadeleitung war äußerst kompetent und genoss zudem den Respekt und das Vertrauen nicht nur der IRA-Volunteers, sondern auch der Mehrheit der Bevölkerung in den Ghettos, wo man die Leute, aus denen die IRA in Derry bestand, sehr gut kannte.
Mein Lieblingsschlupfwinkel war eine Wohnung in einem von den Unruhen nicht betroffenen Stadtteil von Derry. Dort verbrachte ich Stunden damit, Sprengsätze und Brandbomben herzustellen. Es gab Zeiten, wo ich die ganze Nacht aufblieb und solche zusammenbaute, während ich zu anderen Gelegenheiten maßgeschneiderte Sprengsätze passgenau für bestimmte Aktionen anfertigen musste.
Ein- oder zweimal zog ich mit meinem IRA-Verhaltenskodex gegenüber dem noch stärkeren Temperament der Frauen von Derry den Kürzeren. So erfuhr ich einmal, dass ein Katholik, der im Ghetto wohnte, den Schlüssel zu einem Regierungsgebäude besaß. Mittags ging er zum Essen immer nach Hause, was für uns eine geeignete Gelegenheit war, ihm mit vorgehaltener Waffe den Schlüssel abzunehmen und dann das Gebäude in Brand zu stecken. So war es jedenfalls geplant, aber ich hatte nicht alles Unvorhersehbare einkalkuliert. Ich wollte mit derjenigen Einheit, die am meisten auf die Verwirklichung dieses Vorhabens drängte, zusammenarbeiten und hatte deshalb persönlich den Part übernommen, den Schlüssel an mich zu bringen. Am Tag, als die Brandbomben für diesen Einsatz bereitlagen, ging ich mit einem anderen Mitglied dieser Einheit um die Mittagszeit zu dem Haus des Mannes, wo seine Frau uns die Tür öffnete. Ich verlangte den Mann in einer Privatangelegenheit zu sprechen, woraufhin sie uns in das kleine Haus hineinließ und uns bat, im Wohnzimmer zu warten. Dann kam der Mann und begrüßte uns. Er war nicht mehr jung und sah auch nicht sehr gesund aus. Aus der Küche hörten wir die Stimmen von Kindern, die dort wohl beim Essen saßen.
Mit leiser Stimme teilte ich ihm mit, dass ich von der IRA sei und dass ich gekommen sei, um den Schlüssel zu dem Regierungsgebäude zu holen. Er solle gar nicht erst versuchen, Widerstand zu leisten, denn wir wollten keine Unannehmlichkeiten.
Als ich fertig war, sah er noch blasser aus. Er sagte, seine Gesundheit sei angegriffen und sein christliches Gewissen würde ihm niemals gestatten, den Schüssel herauszurücken.
Ich antwortete, dass ich jetzt sein Gewissen sei, dass die Pistole ihn von moralischer Schuld befreie und dass ich den Schlüssel jetzt haben wolle.
Genau in diesem Moment betrat seine Frau, die sich wohl wunderte, was die beiden jungen Kerle mit ihrem Mann zu schaffen hatten, das Zimmer. Sie sah sofort, wie blass er geworden war und wollte wissen, was hier vor sich ging.
Unser Gegenüber hatte die Krankheits- und die Religionskarte gespielt und zog jetzt seinen Trumpf aus dem Ärmel. Statt seine Frau aus dieser Männersache herauszuhalten, bezog er sie raffiniert mit ein. Mit untrüglichem Gespür für einen Ausweg sagte er ihr, wir seien von der IRA und wollten den Schlüssel zu dem Gebäude haben. Dabei übergab er diesen an sie, und meine Zuversicht sank, als ich sah, wie sie ihn in den Ausschnitt ihrer Spitzenbluse und wohl bis in ihren Büstenhalter hineinsteckte! Ich wusste, dass man jetzt nichts mehr tun konnte. Der Plan der IRA war durch den Handgriff dieser Frau vereitelt worden. Kein IRA-Volunteer hätte sich mit einer Frau aus der Bogside angelegt.
Sie gab mir zu verstehen, dass ich
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