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The Volunteer. Erinnerungen eines ehemaligen IRA-Terroristen (German Edition)

The Volunteer. Erinnerungen eines ehemaligen IRA-Terroristen (German Edition)

Titel: The Volunteer. Erinnerungen eines ehemaligen IRA-Terroristen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Shane O'Doherty
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eines Nachbarlandes, für Internierungen ohne Gerichtsverhandlung unter Einsatz von Folter, von Erschießung unschuldiger Bürgerrechtsmarschierer und von allumfassender Terrorisierung der gesamten republikanisch gesinnten Bevölkerung, die frei von britischer Herrschaft sein wollte?
    Mit diesen Fragen entzog ich ihren Fragen den Boden. Beide Seiten waren unglücklich über den Stand der Dinge in Irland – ich ging davon aus, dass man diesen nur mit Gewalt verändern konnte, während die anderen glaubten, durch Befolgen einer christlichen Doktrin der Unterwerfung unter unrechtmäßige Eroberer könne man das schlimmere Übel verhindern, das darin bestand, zur Befreiung seines eigenen Volkes Gewalt anzuwenden. Das Einzige, was wir gemeinsam hatten, war, dass wir alle unglücklich waren. Es gefiel mir nicht, dass solche Kritik von Leuten kam, von denen ich erwartete, dass sie meine Aktivitäten duldeten. Mochte ich auch noch so geschickt im Argumentieren sein, ich war mir nicht wirklich sicher, dass ich mit meiner Einstellung zu Gewalt im Recht war.
    Als ich eines Abends aus der Bogside kommend auf dem Heimweg zu meiner Wohnung war, hielten mich in zwei Feldjäger in ihren markanten Uniformen und Kappen mit dem roten Oberteil in der Francis Street an, um mich zu überprüfen. Auf diesem Fall war ich jederzeit vorbereitet und hatte jedes Mal ein gutes Alibi. An dem Abend hatte ich ein Sechserpack Bier dabei und gab an, ich sei unterwegs zu einer Party in der Northland Road. Ich zeigte meinen Studentenausweis vor, und dann ließen sie mich gehen. Mich wunderte allerdings, wie diese beiden Helden dazu kamen, so dicht an der Bogside ohne Angst vor Übergriffen einen einsamen Kontrollposten zu betreiben. Die beiden mussten verrückt sein.
    Meine eigene Sicherheit und die all derer, die mit mir zusammenarbeiteten, lag mir immer sehr am Herzen. Deshalb wollte ich immer genau Bescheid wissen, ob irgendwelche Aktionen in der Umgebung von Wohnungen, wo ich Sprengstoff und sonstiges Zubehör hortete, geplant waren, und ich erkundigte mich ständig beim Einsatzkoordinator danach. Als ich an dem Abend in meiner Wohnung ankam und aus dem Fenster blickte, sah ich zwei weitere Feldjäger ganz in der Nähe auf einem Brachgelände herumlaufen. Entweder waren es die beiden, die mich zuvor angehalten hatte, oder zwei andere. Hin und wieder erließ nämlich irgendein Oberschlauer im Armee-Hauptquartier, der keine Ahnung von der Realität vor Ort hatte, die Anordnung, dass die Feldjäger mehr Präsenz zeigen sollten, aber ohne ihnen angemessenen Schutz zu gewährleisten.
    Kaum hatte ich die Gardine wieder zugezogen und mich in die Küche begeben, war plötzlich ein heftiger Schusswechsel zu hören und dann ein Auto, das laut aufquietschend davonjagte. Ich wusste sofort, dass jemand auf die beiden Feldjäger geschossen hatte. Jetzt zitterte ich bei dem Gedanken, wie die Armee wohl reagieren würde. Es gab für mich keine Möglichkeit mehr, aus der Umgebung zu verschwinden. Ich musste stillsitzen und hoffen, dass es keine Durchsuchung von Haus zu Haus geben würde. Falls doch, würde ich in einer Wohnung voller Sprengstoff und sonstigem Bombenbau-Zubehör erwischt.
    Nach etwa fünf Minuten erschien der derzeitige Bestand der Armee, dicht gefolgt von ihrer zweiten Geige, der Royal Ulster Constabulary. Ich sah auf den ersten Blick durchs Fenster, dass es nur so wimmelte von bewaffneten Soldaten. Einem Radiobericht zufolge waren zwei Feldjäger der Armee aus kurzer Entfernung in den Kopf geschossen worden, und die beiden Revolver waren in der Nähe gefunden worden. Es gab aber keine Haus-zu-Haus-Durchsuchung, und die Armee zog sich schließlich ebenso wie anschließend die Polizei wieder in ihre Kasernen zurück. Ich beschwerte mich, weil ich in diese Aktion nicht eingeweiht worden war, aber dagegen wurde geltend gemacht, dass es ja keine Hausdurchsuchungen gegeben hatte und ich und meine Sprengmittelausrüstung keiner direkten Gefahr ausgesetzt gewesen waren. Ich hatte auch keine Zeit, das Schicksal der beiden Feldjäger groß zu bejammern, da mir ja jederzeit dasselbe zustoßen konnte. Schließlich erledigten die beiden ihre Schicht in einem Land, das nicht das ihre war, sie waren bereit, ihr Leben dafür aufs Spiel zu setzen, und nun hatten sie eben verloren.
    Eine katholische Verwandte von mir, bei der ich oft Unterkunft fand, sprach mich auf religiöse Fragen an und setzte mir mit dem Sakrament der Beichte ordentlich zu. Wenn ich schon

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