The Volunteer. Erinnerungen eines ehemaligen IRA-Terroristen (German Edition)
den Schlüssel auf keinen Fall bekommen würde, ihre Familie katholisch sei und mit Gewalttaten nicht das Geringste zu tun haben wolle. Ich hatte aber noch ein Argument vorzubringen: Dreizehn Katholiken, die auch nichts mit Gewalt zu tun haben wollten, hatten an einem friedlichen Bürgerrechts-Marsch genau in dieser Straße teilgenommen und waren dafür von britischen Fallschirmjägern erschossen worden. Ich selber, so sagte ich, wollte auch nichts mit Gewalt zu tun haben, aber die eigene Entscheidungsfreiheit müsste oft erkämpft werden.
Sie bot Tee und Gebäck an – allerhöchste Schmach! Ich ging zur Brigadeleitung zurück und berichtete, dass eine Frau sich eine unserer größten Aktionen in die Bluse gesteckt hatte, und man stimmte mir zu, dass unter diesen Umständen die Sache nur noch abgesagt werden konnte.
Danach wollten wir das Hauptquartier der Royal Ulster Constabulary, die Victoria-Polizeikaserne, aufs Korn nehmen, was allerdings nicht leicht werden würde. Immerhin befand sich direkt daneben ein Ausstattergeschäft, das ironischerweise „Crooks“ [Gauner] hieß. Meine Vorstellung war, dass, wenn wir dort einen richtig großen Brand legten, die Polizeistation nebenan gleich mit in Flammen aufgehen würde. Also machte ich mich ans Werk und bereitete eine Menge winziger Brandsätze vor, die ich in einem IRA-Versorgungslager in einer Sackgasse namens „Thundering Down“ deponierte. Ich befestigte auch einen Zettel daran, auf dem ich darauf hinwies, dass niemand sie wegnehmen oder benutzen dürfte, denn sie waren für eine spezielle Aktion gedacht. Es war nämlich schon öfter vorgekommen, dass eine Einheit sich des Materials einer anderen bediente.
Natürlich war ich entsetzt, aber zugleich auch erheitert, als ich erfuhr, dass es eine Razzia im Versorgungslager gegeben hatte und meine gesamten Brandsatz-Vorräte einschließlich des Zettels sichergestellt worden waren. Was die Polizei und die Armee wohl dachten, als sie den Zettel lasen? (Ich erfuhr es ein Jahr später, nachdem ich verhaftet worden war). Auf jeden Fall stellte ich unter Verwendung von Magnesium und leichterer Brennflüssigkeit neue Mini-Brandbomben her und überprüfte die winzigen Uhrwerk-Zeitschalter, bis ich sicher war, dass alles funktionierte. Dann fand ich ein paar Freiwillige, die kurz vor Ladenschluss die Brandsätze bei Crooks an bestimmten Stellen, die ich vorgab, ablegten. Zwischen drei und vier Uhr morgens sollten sie sich selbst entzünden.
Meine Lieblingswohnung lag auf einem Hügel mit Blick auf die Stadt, und mit ihrem Besitzer verabredete ich ein erstklassiges Steak-Essen um drei Uhr morgens an dem großen Fenster, einschließlich einer Flasche Sauterne, um den hoffentlich großen Brand mitanzusehen.
Während wir also mit dem Wein beim Essen saßen, bemerkte ich um das Dach von Crooks ein orangefarbenes Leuchten. Es hatte sich bereits zu einer Feuersbrunst entwickelt, bevor die ersten Löschzüge durch die Straßen auf das Feuer zu heulten. Natürlich kamen sie zu spät. Ich hatte mehrere Radios auf Polizei- und Armeefunkfrequenzen eingestellt, und wir hörten uns deren Kommentare an, während das Feuer das Gebäude regelrecht ausweidete und für Schäden an der benachbarten Polizeistation sorgte und dabei der Lack der Fahrzeuge auf dem Hof Blasen warf. Danach schlief ich den Schlaf der Gerechten – ich war glücklich, weil ich wieder einmal eine Aktion gegen die Truppen, die mich jederzeit auf der Straße abknallen konnten, durchgeführt hatte.
Jener Abend, an dem die britische Armee mich in die Ecke trieb und eigentlich hätte verhaften können, lief folgendermaßen ab: Ich wollte eine Schreckfalle in einer leeren Garage aufstellen und dann das vertrauliche Telefon der Polizei (eine kostenlose Nummer für Informanten) benutzen, um verdächtige Bewegungen in der Nähe dieses Ortes zu melden, wobei ich hoffte, dass die Armee dann die Garage stürmen würde. Ich packte all meine technischen Einzelteile zusammen und begab mich zu der Garage, um dort so viele Schreckfallen wie nur irgend möglich zusammenzubasteln und aufzustellen, zusammen mit einer Ausgabe von „Who’s Who“, die einen Berührungszünder enthielt. Ich brauchte einige Stunden zum Arbeiten und dazu noch jemanden, der die Türen von innen zuhielt, weil sie nach außen aufgingen und der Riegel außen saß. Ein junger Freiwilliger wollte das gern tun, also nahm ich ihn mit. Ich benutzte eine Taschenlampe als Lichtquelle und saß inmitten von lauter
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