The Walk: Durch eine zerstörte Stadt (German Edition)
beseitigen also das Beweismaterial.«
Lemp lachte wieder, ein angespanntes Piepsen. »Oh, davon gibt es viel zu viel. Ich kann nur hoffen, einen unwesentlichen Aspekt meiner finanziellen Aktivitäten zu vertuschen, einige bescheidene Darlehen, die ich mir selbst gewährt habe, als symbolische Kompensation für die wertvollen zusätzlichen Dienste, die ich der Firma erwiesen habe.«
»Macht die Tatsache, dass Sie mir alles darüber erzählen, nicht den Sinn dessen zunichte, das Vergehen zu vertuschen?«
»Nicht wirklich.« Lemp lächelte Marty an. »Wenn ich damit fertig bin, all das zu verbrennen, werde ich mich umbringen.«
Marty fragte sich, wie lange man mit jemandem reden musste, bevor dessen Tod irgendeine emotionale Wirkung auf einen hatte, oder ob es ausreichte, jemanden nur zu sehen, bevor er starb.
Er prüfte seine Armbanduhr. Seine Augen waren so müde, dass es ihm schwerfiel, das Ziffernblatt unter dem gesprungenen Kristall scharf zu sehen. Es war fast acht Uhr abends.
»Hören Sie, Sheldon, ich werde mir eine Couch suchen und mich hinlegen«, sagte Marty. »Könnten Sie mir einen Gefallen tun? Versuchen Sie, die Bude nicht in Brand zu stecken, bevor Sie sich unter die Erde bringen.«
»Schöne Träume.« Lemp pfefferte eine Festplatte ins Feuer und begann wieder zu pfeifen.
Marty verließ den Konferenzraum und ging zurück zur Eingangslobby, in der er sich von drei hübschen Sofas eins aussuchen konnte. Lemp mochte zwar das Geld des Unternehmens verschleudert haben, aber wenigstens hatte er einige gute, bequeme Möbelstücke gekauft, bevor es unterging.
Er streifte seinen Rucksack ab und ließ seine nasse, verkrustete Jacke gleich mit ihm von den Schultern gleiten, dann schleuderte er seine Schuhe von den Füßen, an denen die Socken klebten wie eine zweite Haut. Marty pellte sie, auf der Kante der Couch balancierend, vorsichtig ab und legte sie zum Trocknen auf den Kaffeetisch. Schließlich lehnte er sich zurück und ließ seinen Körper in die weichen Kissen sinken.
Marty schlief bereits, bevor er die Augen geschlossen hatte.
KAPITEL NEUN
Der Morgen danach
D as Gebäude stand in Flammen und sie saßen im obersten Stockwerk fest, von den Flammen unter ihnen in die Enge getrieben.
»Was sollen wir tun?«, fragte ihn Fred Astaire.
Marty gab ihm ein Seil. »Binde dich an dem Pfeiler fest, wir werden die Wassertanks auf dem Dach in die Luft jagen.«
»Wir könnten alle ertrinken.«
»Hast du schon mal davon gehört, dass jemand in einem Bürogebäude ertrunken ist?« Marty gab ihm einen beruhigenden Klaps auf die Schulter. »Vertrau mir, ich hole uns hier raus.«
Marty machte einen kurzen Rundgang durch den Raum, überprüfte alle und stellte sicher, dass sie gut an ihren Plätzen festgebunden waren. Als er sich davon überzeugt hatte, dass alle bereit waren, befestigte er sich selbst an einem Pfeiler neben Paul Newman.
»Du bist der tapferste Hurensohn, den ich je getroffen habe«, sagte Paul.
»Ich bin nur ein ganz gewöhnlicher Mann in einer außergewöhnlichen Situation.«
»Es gibt ein Wort dafür«, Paul schaute ihm direkt in die Augen und verwandelte sich in Buck. »Wir nennen sie Helden.«
»Sobald das hier vorbei ist, will ich diese Serviettensammlung sehen.« Marty holte die Fernbedienung heraus und drückte auf den Knopf, der das Sprengmaterial zündete.
Das gesamte Gebäude erzitterte und das Dach stürzte ein. 50 000 Gallonen Wasser ergossen sich in den Raum; die Sturzflut schwemmte Tische und Stühle und Menschen einfach aus den Fenstern. Er hielt sich fest, der Sturzbach arbeitete sich wütend an ihm ab. Auf einmal rutschte Martys Seil vom Pfeiler und er spürte, wie er quer durch die Etage auf die Skyline von San Francisco und einen 90 Stockwerke tiefen Fall zusteuerte.
»Nein!«, schrie er, und das Wasser trug ihn hinaus in den Nachthimmel. Purzelbäume schlagend stürzte er in die Tiefe.
Plötzlich spannten sich die Pisslaken um ihn herum, und er baumelte bei Tageslicht nur ein paar Fuß über der dem Untergang geweihten 747, die Stewardess Karen Black starrte durch den klaffenden, gezackten Riss im Cockpit zu ihm hoch. Ihre Augen sagten Marty alles, erzählten ihm von ihrer Verzweiflung, ihrer Angst, erzählten ihm, dass sie ihn brauchte. Ohne ihn hatten sie alle keine Hoffnung mehr.
Marty schaute nach oben, sein Blick folgte dem Strang aus Pisslaken bis zu dem Militärhubschrauber, der ihn in Richtung des führerlosen Flugzeugs manövrierte. Er machte ihnen ein
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