The Walk: Durch eine zerstörte Stadt (German Edition)
viel mehr Schaden zufügen als alles, wozu Josh jemals im Stande wäre.
Es war also entschieden. Er würde es riskieren, Josh in die Arme zu laufen.
Besser noch: Statt Gefahr zu laufen, gesehen zu werden, entdeckt zu werden, würde er die Dinge selbst in die Hand nehmen und Josh ausfindig machen. So würde er, indem er selbst die Aufmerksamkeit auf sich lenkte, die Situation und die Art, wie er wahrgenommen wurde, kontrollieren.
Ja, beschloss Marty, das war perfekt. Indem er sich nicht versteckte, sondern Josh konfrontierte, konnte er den Moment nutzen und ihn sowie seine Bedeutung selbst gestalten.
Überdies war Josh ungefähr genauso groß wie Marty, vielleicht konnte ihm der Producer ein paar frische Klamotten leihen, damit er nicht länger roch und aussah wie eine Latrine. Marty würde immer noch dreckig in Calabasas ankommen, aber bei Weitem nicht so schlimm wie jetzt, wo er unter anderem nach abgestandener Pisse, verrottendem Essen und Hawaiian Tropic stank.
»Versuchst du, deinen Schuh zuzubinden«, fragte Buck, »oder ihn zu ficken? Na los.«
»Ich will auf einen Sprung bei einem Freund vorbeischauen. Er lebt hier in der Gegend.« Marty richtete sich auf, erfreut über sich selbst und seinen folgerichtigen Gedankengang. »Hast du dir schon mal ›Manchine‹ angeschaut?«
»Diese Sendung über den Typen, der halb Mensch, halb Maschine war?«
»Ja. Mein Freund Josh hat sie geschrieben und produziert.«
»Ich erinnere mich daran«, sagte Buck. »Der Typ hat immer seinen Finger in Computer, Mixer, Telefone und allen möglichen Scheiß gesteckt, um die Sachen ans Laufen zu bekommen.«
»Das waren seine Superkräfte. Er konnte mental mit jeder Maschine verschmelzen, die er berührte, und sie mit seinen Gedanken kontrollieren.«
»Verdammt großes Kino. Ich mach das Gleiche, indem ich einfach nur den An-Aus-Schalter benutze.«
Marty ignorierte den Seitenhieb und begutachtete prüfend die Häuser, während sie um die Ecke bogen und die McCadden entlanggingen. Die meisten Häuser in der Straße waren in den späten Zwanzigern erbaut worden und repräsentierten einen eklektischen Mix aus kontrastierenden Stilen, von den Türmchen und Balkonen der französisch-normannischen Architektur bis zu der Förmlichkeit, den Säulen und Ziegelsteinen des amerikanisch-georgischen Geldadels.
Statt von der Pracht des Viertels abzulenken, betonte diese Mischung sie auf unerklärliche Weise nur noch. Solch krass im Widerspruch stehende Stile wären da, wo Marty wohnte, nie erlaubt. Architektonische Homogenität wurde strengstens durchgesetzt, um Eleganz und Grundstückswerte zu bewahren. Doch sogar jetzt, wo die Häuserreihen sich gelichtet hatten oder stark beschädigt worden waren, schaffte es die Gegend irgendwie, ihre Eleganz und den Hauch der Exklusivität aufrechtzuerhalten. Vielleicht lag es auch vielmehr an den tadellos getrimmten Hecken, den unglaublich grünen Rasenflächen und den glänzenden europäischen Autos.
Das Erste, was Marty an Joshs Haus auffiel, war das »Zu Verkaufen«-Schild im Vorgarten. Das Schild stand aufrecht und unbeschädigt, das Haus selbst allerdings nicht. Es neigte sich zu einer Seite und ließ sein rotes Ziegeldach sowie mehrere Wände auf den BMW in der Einfahrt tröpfeln.
Josh und Nora lagen auf Liegestühlen neben einem kleinen Zelt und einer Feuerstelle, die sie in ihren frisch gemähten Rasen gegraben hatten. Alle persönlichen Besitztümer, die sie geborgen hatten, lagen um sie herum verstreut in Umzugskartons und ausgebeulten Koffern.
Noras linker Arm hing in einer blutbefleckten, behelfsmäßigen Schlinge, und ihr Gesicht wirkte kränklich und blass. Marty konnte sich nicht mehr erinnern, ob sie Lehrerin war oder in einer Kunstgalerie arbeitete.
Joshs Kopf war mit blutigen Mullbinden umwickelt und sein rechtes Auge zugeschwollen. Es sah auch so aus, als könnte seine Nase gebrochen sein. Etwas musste ihm während des Bebens auf den Kopf gefallen sein, doch Josh wirkte wachsam, auch wenn er noch nicht bemerkt hatte, dass Marty und Buck vor ihm standen.
»Ich bin so erleichtert zu sehen, dass ihr beide okay seid«, sagte Marty, während er näher kam. Josh und Nora blickten zu ihm auf, es war eindeutig, dass sie ihn nicht erkannten. »Ich bin’s, Martin Slack.«
Sie starrten ihn immer noch an. Sie wirkten verwirrt.
»Muss euch nicht leid tun, wenn ihr Schwierigkeiten habt, mich zu erkennen, ich kenne mich selbst kaum noch.« Marty lachte verlegen, die Heiterkeit war
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