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The Walk: Durch eine zerstörte Stadt (German Edition)

The Walk: Durch eine zerstörte Stadt (German Edition)

Titel: The Walk: Durch eine zerstörte Stadt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lee Goldberg
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südlichen Rand des Tals säumte, war eine einzige, lange und charmefreie Aneinanderreihung von Fast-Food-Filialen, Tankstellen, Lebensmittelläden, Autowaschanlagen und unzähligen, langweiligen Einkaufszentren mit ihrem austauschbaren Mix aus Friseursalons und Donut-Läden, chemischen Reinigungen und Schlüsseldiensten, Spirituosengeschäften, Copyshops und Videotheken. Kulturell und architektonisch würde niemand vermissen, was hier einmal mehr zerstört worden war.
    Die Verwüstung kam Marty hier irgendwie anders vor als das, was er auf der anderen Seite des Hügels zu sehen bekommen hatte. Es war, als sähe er alles detailgetreuer, in intensiverem Licht. Er dachte, dass vielleicht die Flachheit des Tals und der Mangel an hohen Gebäuden etwas damit zu tun hatten, da sie dem Licht erlaubten, sich in Ecken und Winkel auszubreiten, was es im Stadtzentrum oder in Hollywood nicht konnte.
    Oder vielleicht lag es auch daran, dass er dies hier, anders als den Talkessel von Los Angeles, als sein Zuhause betrachtete. Vielleicht sah er mehr, weil er die Landschaft besser kannte. Während er langsam nach Westen wanderte, fielen ihm so viele Einzelheiten auf, die ihm vorher entgangen waren: der saure Geruch von verrottendem Essen. Die kaputten Parkuhren, die auf der Straße lagen und ein Bouquet aus glänzenden Münzen hinterließen. Die Busbänke aus Beton, die von der Macht des Erdbebens in die Mitte der Straße geschleudert worden und entzweigebrochen waren. Die Staubschicht, die alles überzog wie Puderzucker. Der stetige Strom aus Alkohol, Milch, Saft und Softdrinks, der aus zerschmetterten Minimärkten herausfloss. Die Fliegen, die die Toten umschwirrten. Die umgekippten Briefkästen und Hunderte von Briefen, die wie Blätter im Wind umherschwebten. Und vor allem: die Stille.
    Alles, was in den Stunden unmittelbar nach dem Beben noch geheult hatte, Autoalarmanlagen und verletzte Menschen, hatte mittlerweile längst das Zeitliche gesegnet. Das Einzige, was er jetzt hörte, war das Summen der Fliegen, das rhythmische Flap-flap eines Helikopters in der Ferne sowie das leichte Flattern der Werbeplakate des Circus Valdez, die von schief stehenden Straßenlampen entlang des Boulevards herunterhingen.
    Nicht weit westlich der Kreuzung zwischen Reseda und Ventura veranlasste ihn etwas, unvermittelt stehen zu bleiben, doch er wusste nicht, was es war.
    Er schaute sich um. Eine Frau tackerte einen handgeschriebenen »Hund vermisst – Belohnung«-Flyer an eine umgeknickte Palme.
    Nein, das war es nicht.
    Ungefähr fünfzig Leute, manche von ihnen wegen ihrer Verletzungen kaum in der Lage, aufrecht zu stehen, bildeten eine Schlange vor einem Tobacco-For-Less-Laden, wo Zigaretten aus Pappkartons verkauft wurden.
    Die pathetische Szene rechtfertigte zwar einen Blick, nicht aber abrupten Stillstand.
    Was zur Hölle war das nur, was ihn gepackt hatte, instinktiv oder unterbewusst, und ihn zwang anzuhalten?
    Marty suchte die Straße ab. Ein Typ saß an der Bordsteinkante vor einem Reisebüro und blätterte in einer Broschüre über Hawaii. Jemand hatte ein Stück Sperrholz an seinen Falafel-Imbiss genagelt und mit Sprühfarbe darauf geschrieben: »Willkommen in Tarzana (Leicht renovierungsbedürftig)«. Ein paar Kids schleppten einen Fernseher mit großem Bildschirm aus einem verfallenen Geschäft.
    Seine Augen wanderten zurück zu dem Sperrholzschild.
    Ja, das war irgendwie clever, aber es war cleverer gewesen, als er denselben Witz nach dem Beben von 1994 gesehen hatte. Das konnte es nicht sein, was seine Aufmerksamkeit erregt hatte. Was war hier noch?
    Die Leute hatten ein paar Sofas aus einem Möbelgeschäft hinausgeschoben und schliefen darauf, mitten auf der Straße. Ein Makler in helloranger Jacke fegte die Glasscherben vor seinem Büro zusammen, als erwartete er tatsächlich Kunden. Eine Frau durchwühlte den Müllhaufen vor einer chemischen Reinigung, sie sortierte die Kleidungsstücke sorgfältig und war ohne Zweifel auf der Suche nach ihren eigenen Sachen. Ein Mann ließ seine Frau und die Kinder auf der Straße für ein Foto posieren, eine Erinnerung an das Erdbeben, falls sie es vergessen sollten.
    Sein Blick kehrte zu dem Sperrholzschild zurück. Noch einmal.
    Was war nur los mit dem Schild? »Willkommen in Tarzana (Leicht renovierungsbedürftig)«.
    Ja, er war in Tarzana, dem ehemaligen Landsitz des Autors Edgar Rice Burroughs, und es war seither aufgeteilt und erneut geteilt worden. Eine Stadt, die nach einem fiktiven,

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