The Walking Dead 3: Roman (German Edition)
sein Rückenmark, umringt ihn, schließt alles andere aus, dient dazu, dass der Governor sich einzig und allein auf seine Mission konzentriert. Seine ganzen Zweifel, seine Sorgen – seine gesamte noch existierende Menschlichkeit – werden von seiner Wut, seinen Rachegelüsten und einer Stimme, die tief aus seinem Inneren kommt und ihm als Kompass dient, beiseitegedrängt. Er hat nur noch einen Gedanken, einen einzigen, den Plan, wie er dieses Pulverfass davon abhalten kann, in die Luft zu gehen. Er weiß, was er zu tun hat, um …
Schritte vom gegenüberliegenden Ende des Korridors unterbrechen ihn in seinen Tagträumen.
Lilly hat den Arm um Austin gelegt und hilft ihm die Treppe hinunter. Jetzt kommen sie um die Ecke und eilen den Flur entlang, der sich durch die stinkenden Eingeweide der Katakomben unterhalb des Stadions windet.
Anfangs sieht Lilly die dunkle Gestalt nicht, die allein vor der Garagentür steht und durch ein Fenster starrt. Sie ist viel zu sehr mit Austins Wunde beschäftigt, drückt mit der rechten Hand so hart sie kann darauf, um den Blutfluss zu stoppen, während die beiden in Richtung Krankenstation schlurfen.
»Sieh einer an, wen haben wir denn da?«, sagt die Gestalt, als Lilly und Austin sich ihr nähern.
»Oh … Hi«, begrüßt Lilly den Mann unbeholfen, als sie und Austin sich ihm weiter nähern. Aus Austins Wunde tropft das Blut jetzt auf den Boden. Sie ist zwar nicht lebensbedrohlich, aber ausreichend, um sich Sorgen zu machen. »Ich muss den hier zum Arzt bringen.«
»Hoffe, den anderen hat es schlimmer erwischt«, witzelt der Governor, als Lilly und Austin vor der ramponierten Garagentür innehalten.
Austin schafft es gerade noch, ein Lächeln aufzusetzen. Seine langen, feuchten Locken hängen ihm ins Gesicht. »Es ist nichts … nur eine Fleischwunde … bin auf mein Messer gefallen, dümmer hätte es nicht laufen können.« Er hält sich die Seite. »Die Blutung ist so weit erst mal gestoppt, eigentlich geht es mir prima.«
Die gedämpften Geräusche der Fressorgie dringen kaum hörbar aus der Zelle. Es klingt wie ein gigantisches Magenknurren. Lilly wirft einen Blick durch eines der Fenster auf die grauenhafte Orgie, wendet sich dann Austin zu, der ebenfalls in die Zelle blickt. Keiner von ihnen gibt einen Kommentar ab. Lilly nimmt das fürchterliche Geschehen kaum wahr. Früher einmal hätte sie es als abstoßend und widerlich empfunden. Sie wendet sich an den Governor: »Wie ich sehe, erhalten sie zumindest ihre Vitamine und Mineralien.«
»Hier wird nichts vergeudet«, antwortet der Governor mit einem Achselzucken und nickt in Richtung Zelle. »Die arme Frau von dem Helikopterunglück hat einfach so den Löffel abgegeben … ich nehme an, dass sie an irgendwelchen inneren Verletzungen vom Absturz gestorben ist … das arme Ding.« Er dreht den Kopf und schaut durch das Glas. »Sie und der Pilot dienen nun einer größeren Sache.«
Lilly bemerkt erst jetzt den Verband um das Ohr des Governors. Sie wirft Austin einen Blick zu, der dann ebenfalls auf die blutverschmierte Bandage über dem zerfleischten Ohr starrt.
»Es geht mich ja nichts an«, meldet sich Austin endlich zu Wort und deutet auf das Ohr. »Aber ist bei Ihnen alles okay? Sieht ganz so aus, als ob auch Sie eine schlimme Wunde haben.«
»Die neuen Leute, die heute Abend angekommen sind«, erklärt der Governor leise, ohne den Blick von der Zelle zu nehmen, »stellten eine Bedrohung dar. Damit habe ich anfangs gar nicht gerechnet.«
»Yeah, ich habe Sie vorher zusammen gesehen«, meint Austin und lebt etwas auf. »Es sah ganz so aus, als ob Sie mit ihnen eine Sightseeing-Tour durch Woodbury machen wollten, oder? Was ist denn passiert?«
Der Governor dreht sich um und blickt Lilly direkt in die Augen, als ob sie die Frage gestellt hätte. »Ich versuche, jeden hier willkommen zu heißen, jeden gebührend zu empfangen. Heutzutage sitzen wir schließlich alle im selben Boot, oder?«
Lilly nickt zustimmend. »Selbstverständlich, ja. Aber was hatten die daran auszusetzen?«
»Es hat sich herausgestellt, dass es sich um einen Aufklärungstrupp von einer anderen Siedlung gehandelt hat. Ihre Absichten waren nicht unbedingt, wie soll ich sagen, gutnachbarlicher Natur.«
»Was haben sie getan?«
Der Governor starrt sie an. »Was schon? Die wollten uns ausspionieren und dann überfallen.«
»Uns überfallen? «
»Das ist heutzutage gang und gäbe. Ein Aufklärungstrupp schleicht sich in eine Siedlung,
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