The Walking Dead: Roman (German Edition)
eine neue Wand von Untoten, die auf den Wagen zustolpern.
Das Merkwürdigste sind die sich wiederholenden Einschläge des gleichen Gewebes und der gleichen Organe. Manche sind zu erkennen, andere weniger. Eingeweide fliegen wahllos umher, landen auf der Windschutzscheibe und rutschen über die Motorhaube. Bruchstücke von Zähnen sammeln sich wiederholt in den Scheibenwischern, und etwas anderes, pinkfarbenes wie Fischrogen verfängt sich im Falz zwischen Kotflügel und Motorhaube.
Philip sieht ein totes Gesicht nach dem anderen. Jedes ist nur für den Bruchteil einer Sekunde sichtbar, ehe es dem nächsten Platz macht. Er befindet sich jetzt in einer Zwischenzone – irgendwo anders, aber nicht hier, nicht im SUV , nicht hinter dem Steuer, sondern mitten im Mob, in der Stadt der Untoten. Er arbeitet sich durch ihre Reihen, verschlingt Unmengen von Monstern. Was sie können, kann Philip schon lange. Er ist das schlimmste Monster von allen, und er wird es durch dieses Meer von Grauen schaffen, selbst wenn das gesamte Universum daran glauben muss.
Brian weiß genau, was passiert. Dazu muss er nicht erst die Augen öffnen. Zehn quälende Minuten, nachdem sie angefangen haben, sich durch das Meer von Zombies zu kämpfen – immerhin dreiundzwanzig Häuserblocks weiter –, gerät der Escalade ins Schlingern.
Die Zentripetalkraft drückt Brian noch tiefer zu Boden. Er schafft es erst wieder, sich aufzurichten und einen Blick über den Vordersitz zu wagen, als der SUV seitwärts über unzählige Kadaver schlittert. Er hat keine Zeit, aufzuschreien, um die anderen zu warnen. Er kann sich und Penny lediglich so gut wie möglich festhalten und auf den unweigerlichen Aufprall warten.
Der Wagen, die Reifen schmierig vor Blut und Gewebe, dreht sich einmal um sich selbst. Das Heck befördert noch die letzten wandelnden Leichen in die Hölle. Draußen rast die Stadt an ihnen vorbei. Philip reißt am Lenkrad und versucht den Wagen unter Kontrolle zu bekommen, aber die Reifen schlingern auf einem Meer von Eingeweiden, Blut und glitschigen Organen.
Brian schreit erneut auf, ehe ihm die Luft im Hals stecken bleibt, als das Auto auf eine Schaufensterfront zuschlittert.
Im Augenblick vor dem Aufprall erkennt Brian eine Reihe geborstener Schaufenster – Schaufensterpuppen ohne Perücke, leere Schmuckvitrinen, durchtrennte elektrische Kabel, die aus dem Boden ragen, alles hinter scharfen Scherben, in denen noch der Sicherheitsdraht steckt. Doch alles ist wie hinter einem Schleier, denn der Wagen schlittert derart heftig, dass Brian nichts deutlich erkennen kann.
Dann kracht der Escalade mit der rechten Seite zuerst in ein Schaufenster.
Der Aufprall lässt die Fensterscheibe in tausend Stücke bersten. Für Brian bleibt die Zeit einen Moment lang stehen. Der Lärm des explodierenden Glases erinnert an eine Flutwelle, die auf einen Wellenbrecher trifft. Der Escalade durchtrennt die Gitterstäbe und verschwindet seitlich in dem dunklen Schatten von Goldberg Fine Jewelry Center of Atlanta.
Verkaufstische und Vitrinen detonieren, und eine funkelnde, silberne Schicht breitet sich im ganzen Laden aus, während alle nach rechts geschleudert werden. Die Airbags des Escalade öffnen sich bereits beim kleinsten Aufprall. Große Ballons aus Nylon füllen den Innenraum. Nick wird seitlich gegen den weißen Stoff gedrückt. Philip knallt gegen Nick, während Penny mit voller Wucht gegen Brian geschleudert wird.
Der Escalade schlittert eine halbe Ewigkeit lang durch den leeren Laden.
Erst als er mit voller Wucht gegen einen tragenden Pfeiler in der Mitte des Geschäfts prallt, kommt er zum Stehen. Die gesamte Mannschaft wird noch einmal mit voller Wucht in die Airbags gedrückt. Eine ganze Weile nach dem Aufschlag bewegt sich niemand.
Die Luft in dem Juwelierladen füllt sich mit einer weißen feinen Substanz, die auf sie herabschneit. Ein Knarzen unterbricht die laute Stille. Etwas scheint jeden Moment einzustürzen. Brian wirft einen Blick durch die kaputte Heckscheibe auf die Ladenfront und entdeckt heruntergefallene Stahlträger, die das Loch versperren, wo einmal das Fenster war. Die Straße ist vor lauter Staub kaum auszumachen.
Philip dreht sich um, das Gesicht aschfahl und vor Panik ganz verzerrt. »Schatz? Schatz? Geht es dir gut? Sprich mit mir, Kleines. Wie geht es dir?«
Brian wendet sich Penny zu, die noch immer auf dem Boden liegt. Sie wirkt benebelt, als ob sie unter Schock stehen würde, scheint aber sonst keinen
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