The Weepers - Und sie werden dich finden: Roman (German Edition)
Verankerung reißen und mich durch die Windschutzscheibe schleudern. Der Geruch von verbranntem Gummi hing in der Luft. Wenn jetzt ein Reifen platzte, würden wir mitten im Nirgendwo stehen bleiben. Ich versuchte, nicht auf die Häuser zu sehen, die an uns vorbeirauschten.
»Was ist passiert?«, fragte ich, als ich den Verband mit dem Gürtel fixierte. Er verzog das Gesicht. »Zu fest?« Ich sah ihn an.
Er schüttelte den Kopf. »Ich bin zwei Weepers in einen Gang gefolgt, aber ich hab nicht aufgepasst. Einer hat sich an mich rangeschlichen. Er hätte mich fast erwischt. Ich hab ihm eine Kugel verpasst, aber er ist voll in mich reingekracht. Dabei bin ich gegen ein Regal gefallen und hab mir den Arm aufgeschnitten. Fertig?«
Ich nickte und ließ ihn los. Der Gürtel hielt den Stoff streifen an Ort und Stelle. Jetzt lief kein Blut mehr den Arm hinunter. Er betrachtete den improvisierten Verband und lächelte. »Du hast das Zeug zur Kranken schwester. Vielleicht solltest du in meiner Nähe bleiben.« Er lachte und zwinkerte mir zu.
Seine Fröhlichkeit kam mir komisch vor – schließlich waren wir gerade nur mit knapper Not aus diesem Lagerhaus entkommen. Vielleicht spielte er mir auch nur etwas vor, um seine Angst zu verbergen.
Ich lehnte mich wieder zurück. »Ich dachte wirklich, jetzt hätten sie uns.«
»Nächstes Mal müssen wir vorsichtiger sein. Außerdem musst du lernen, wie man schießt.«
»Ich kann schießen.«
»Du bist eine lausige Schützin.«
Ich kniff die Augen zusammen. Lausig? Immerhin hatte ich einen Weeper erledigt, obwohl ich bis gestern noch nie auf ein lebendiges Ziel geschossen hatte.
Joshua sah mich mit einem spöttischen Lächeln an. »Nichts für ungut, aber es ist in unser beider Interesse, wenn du das nächste Mal besser triffst. Der Weeper kam direkt auf dich zu, und du hast zwei Pistolen leergeschossen, um ihn zur Strecke zu bringen. Wir haben nur wenig Munition. Jeder Schuss muss treffen.«
Ich rutschte noch tiefer in meinen Sitz. »Ich wollte ihn nicht töten. Seine Augen … Seine Augen waren so menschlich. Als ob er weinen würde.«
Joshua nahm meine Hand. »Am Anfang ist es mir auch schwergefallen. Aber man gewöhnt sich dran. Du hast keine Wahl. Ich bin auch nicht scharf drauf, irgendwas umzubringen. Ich hasse dieses Leben, dieses stän dige Töten ... aber entweder sie oder wir.« Er ver stummte und holte tief Luft. Zum ersten Mal verstand ich, wie schwer dieses Leben für ihn war. »Sie jagen uns. Wir können nur überleben, wenn wir sie töten.«
Ich sah auf unsere Hände. Er hatte karamellfarbene, von der Sonne gebräunte Haut. Meine dagegen war von dem jahrelangen Aufenthalt im Bunker sehr blass. Mir gefiel der Anblick unserer verschränkten Finger. Wie Milch und Honig. Joshua warf mir einen kurzen Blick zu, und als er bemerkte, dass ich ihn anstarrte, nahm er die Hand weg und schloss die Finger um das Lenkrad. Schon vermisste ich seine Berührung.
Joshua vermied es, mich weiter anzusehen. Er wirkte distanziert, als wäre er mit seinen Gedanken ganz woanders. Das verstand ich nicht. Er hatte schließlich meine Hand genommen und nicht umgekehrt. Als ob es nicht schon schlimm genug gewesen wäre, dass wir Dad noch nicht gefunden hatten. Joshuas plötzliche Gefühlskälte machte alles nur noch schlimmer. Er hatte ja noch größere Stimmungsschwankungen als Bobby.
Die angespannte Atmosphäre und die Enttäuschung darüber, dass wir Dad noch nicht gefunden hatten – ja, dass wir nicht den geringsten Hinweis hatten, wo er sein könnte –, lasteten wie ein schweres Gewicht auf mir, sodass ich um jeden Atemzug ringen musste.
Wir durchsuchten noch zwei Lagerhäuser im Südosten der Stadt. Sie waren verlassen. Offensichtlich hatten sie die Weepers schon vor langer Zeit aufgegeben.
Als es dunkel wurde, suchten wir nach einem Unterschlupf für die Nacht. Ich wollte die Suche nach Dad nicht unterbrechen. Die Zeit lief uns davon – wenn er überhaupt noch am Leben war. Ich wollte weitermachen, bis wir ihn gefunden hatten. Gerade war ich mir ziemlich sicher, im Notfall tagelang ohne Schlaf, ohne Essen und Trinken auskommen zu können. Das Adrenalin und die Sorge um Dad würden mich wach halten. Aber das war zu gefährlich. Wenn wir uns nicht versteckten, waren wir bei Nacht leichte Beute.
»Vielleicht sollten wir uns in einem der öffentlichen Bunker verschanzen?«, schlug ich vor. Seit Joshuas plötz lichem Stimmungsumschwung hatte ich kaum mehr als zwei Worte mit ihm
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