The Weepers - Und sie werden dich finden: Roman (German Edition)
vorbeigingen, fröstelte ich. Es warf dunkle Schatten auf uns und die Straße, auf der wir gingen. Trotz des Schattens war die Luft stickig. Ich schwitzte und wischte mir erst die linke, dann die rechte Handfläche an der Jeans ab. Joshua ging ein paar Schritte vor mir. Seine große Gestalt versperrte mir die Sicht. Dann blieb er plötzlich stehen, sodass ich fast in ihn hineingelaufen wäre.
»Was ist?«, fragte ich und sah mich auf der Suche nach potenziellen Angreifern um. Meine Hände wollten nicht aufhören zu zittern. Er legte einen Finger auf die Lippen und suchte die Umgebung mit zusammengekniffenen Augen ab. Dann richtete er den Revolver auf die Tür des Lagerhauses, die einen Spalt weit offen stand. Es war zu dunkel, um erkennen zu können, ob sich jemand dahinter verbarg. Ich kniff ebenfalls die Augen zusammen, hob die Waffe und nahm dieselbe Stelle ins Visier.
Nichts.
Ein leichter Wind kam auf, was bei der Hitze sehr angenehm war. Allerdings rüttelte er auch an einem Wellblechdach, und lautes Klappern durchbrach die Stille.
Joshua entspannte sich. »Ich dachte, ich hätte eine Bewegung gesehen. Hab ich mir wohl nur eingebildet.«
Ich ließ die Waffe sinken und holte zitternd Luft. Als wir noch jünger waren, hatten Bobby und ich öfter Cow boy und Indianer gespielt. Damals war es ziemlich lustig gewesen, sich an den anderen anzuschleichen. Das hier war überhaupt nicht lustig. Eine falsche Bewegung, ein Augenblick der Unachtsamkeit, und Joshua und ich waren so gut wie tot. Das hier war kein Spiel. Ich folgte Joshua zum kleineren Lagerhaus.
Stille. Hätte man nicht etwas hören müssen, wenn sich die Weepers und ihre Beute dort befunden hätten? Schreie vielleicht, oder ein Heulen?
Wir erreichten die schwere Stahltür, die in das Lagerhaus führte. Die Metallverkleidung des Gebäudes war völlig mit Schmutz und Ruß überzogen. Mein Blick fiel auf ein paar Klauenspuren. Große Klauenspuren. Vielleicht nur ein wildes Tier. Na klar. Ganz bestimmt.
Joshua trat leicht mit der Turnschuhspitze gegen die Tür. Sie schwang mit einem ohrenbetäubenden Quietschen auf. Wenn denn jemand – oder etwas – in diesem Gebäude war, hatte er oder es uns mit Sicherheit gehört. Ich wischte mir mit dem T-Shirt-Zipfel den Schweiß von der Stirn. Ich schwitzte viel zu stark. Joshua schien die Hitze nicht das Geringste auszumachen. Das war die Quittung für 1 141 Tage in einem Bunker mit Klimaanlage. Ich war kurz vor einem Hitzschlag.
Wir betraten das Lagerhaus – einen vorsichtigen Schritt nach dem anderen. Der durchdringende Gestank von brennendem Gummi stach in meine Nase. Hier war es sehr dunkel. Die dicke Rußschicht auf den weit über uns liegenden Fenstern hielt das meiste Sonnenlicht ab. Warum nur waren gerade die bei der Bombardierung nicht zerbrochen? Obwohl uns Regale voll mit Eimern und Reifenstapeln die Sicht versperrten, war ich mir ziemlich sicher, dass wir allein hier waren. Zumindest hoffte ich das. Aber fromme Wünsche würden uns nicht weiterhelfen.
Ich fiel zurück, und Joshua winkte mich zu sich. Ich eilte hinüber. Unsere Arme berührten sich, als wir uns in der großen Halle umsahen.
»Sehen wir mal da hinten nach«, sagte er.
Wir gingen tiefer in den Raum hinein. Ein süßlicher, beißender Geruch stieg mir in die Nase. Ein Gestank, dem ich schon einmal begegnet war. Ich blieb abrupt stehen. Es roch wie die Leichen vor dem Nachbarhaus.
Bitte, lass es nicht Dad sein.
Vor 18 Stunden und 37 Minuten war er verschwunden.
67 020 Sekunden in den Klauen der Weepers.
Dann hallte ein Knall durch das Lagerhaus, und schlagartig wurde es noch dunkler. Ich schrie auf. Es war so finster, dass ich nicht mal Joshua richtig erkennen konnte, obwohl er genau neben mir stand.
Wir waren nicht allein. Irgendetwas hatte die Tür zugeworfen. Mir klopfte das Herz bis zum Hals. Das Rasen meines Pulses übertönte die Stille. Mein Atem ging schnell und stoßweise. Ob sich so einer von Moms Asthmaanfällen anfühlte?
Ich griff nach Joshuas Arm. Er bewegte sich nicht, doch ich spürte, wie sein Körper zitterte. Also war ich nicht die Einzige, die Angst hatte. Trotzdem kein besonders beruhigender Gedanke.
Irgendetwas lauerte im Dunkeln, beobachtete uns. Bereit, sich auf uns zu stürzen.
Ich hatte die Pistole direkt vor mich gerichtet und widerstand dem Impuls, einen kurzen Blick über meine Schulter zu werfen. Ich konnte sowieso so gut wie nichts sehen.
Joshua bewegte sich, doch ich klammerte mich weiter an
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