The Weepers - Und sie werden dich finden: Roman (German Edition)
Zumindest versuchte ich, mir das einzureden. Aber ich würde ganz bestimmt nicht nachsehen.
Als wir uns dem Eingang näherten, wich ich nicht von Joshuas Seite. Durch seine Anwesenheit fühlte ich mich sicherer, obwohl Sicherheit in dieser neuen Welt nur eine Illusion war.
»Warst du in diesem Bunker?« Ich sah kurz zu ihm auf.
Wieder biss er die Zähne zusammen. »Nein. Ich und meine Familie waren in einem Bunker beim Hafen.«
Seine Familie. Ich wollte gerade nachfragen, als ich auf der breiten Wand vor mir große Buchstaben bemerkte.
Der Tag des Jüngsten Gerichts ist gekommen. Nehmet das Urteil unseres Heiligen Vaters dankbar an.
Die Sonne ging unter, und die verblassenden Strahlen tauchten die Fassade in orangefarbenen Glanz.
»Dankbar?« Joshua schnaubte verächtlich und rollte mit den Augen.
Ein entferntes Summen erregte meine Aufmerksamkeit. Es klang wie ein Bienenschwarm. Ich suchte den Himmel ab, bis ich einen schwarzen Punkt entdeckte. Schon wieder. Folgte er mir etwa? Als ich genauer hinsehen wollte, war der Punkt verschwunden. Ich starrte in den dunkler werdenden Himmel und hoffte darauf, dass sich das komische schwarze Ding noch einmal zeigen würde. Schließlich wandte ich mich mit einem Seufzen ab.
Die hölzerne Doppeltür der Bibliothek stand weit offen, aber das wirkte nicht besonders einladend. Eine Spur aus getrocknetem Blut führte die grauen Stufen zur Eingangshalle hinauf. Tote Zweige und Laub bedeckten den Granitboden. Eine dicke Schmutzschicht lag auf dem ehemals weißen Stein. Mehrere Fenster waren zerbrochen. Überall lagen Glasscherben herum.
»Da lang.« Joshua deutete auf eine weitere Treppe, die nach unten führte. Ein Schild wies darauf hin, dass sich dort die Toiletten befanden.
Ich umklammerte fest die Pistole, als ich die Treppe hinunterstieg. Es stank nach Urin, Exkrementen und Eisen. Blut.
Joshua ging auf eine offenstehende Stahltür zu. Ich blieb neben ihm stehen und spähte in die Dunkelheit.
»Wenn der Generator noch läuft, könnten wir sogar Licht machen«, sagte er und legte einen Schalter um.
Die Lampen erwachten flackernd zum Leben und beleuchteten den Raum, der größer als unser Bunker war, aber viel kleiner, als ich es erwartet hätte. Überall lagen Matratzen, Decken und Kissen verstreut. Hier konnten zwanzig Menschen bequem unterkommen. Bei dreißig wurde es schon eng. Als ich die Betten zählte, wurde mir klar, dass hier mindestens sechzig Menschen gehaust hatten.
Kein Wunder, dass es in den öffentlichen Bunkern zu Auseinandersetzungen gekommen war. Die Luft war so drückend, als würde der Atem von sechzig Menschen noch immer den Raum erfüllen, als würde die Wärme ihrer Körper ihn in einen Glutofen verwandeln und ihre flüsternden Stimmen ein immerwährendes Rauschen bilden. Ich sah alles genau vor mir. Zusammengepfercht wie die Schweine auf dem Weg zum Schlachthaus. Kein Wasser. Kein Essen. Nur Chaos.
Ich ging die schmale Treppe hinunter und sah mir das Durcheinander an. Joshua stand neben der Tür. Er hatte sich nicht einen Millimeter bewegt.
»Joshua?« Ich sprach ganz leise.
Er fuhr zusammen. Dann erst schienen mich seine blauen Augen wahrzunehmen. Er holte tief Luft, dann schloss er die schwere Tür hinter sich und verriegelte sie. Jetzt konnte sie von außen nicht mehr geöffnet werden. Wir waren vor den Weepers sicher und konnten vielleicht sogar ein paar Stunden schlafen. Langsam ging Joshua die Treppe in den Bunker hinunter. Obwohl er regelmäßig auf Weeperjagd ging und sich bereiterklärt hatte, ihre Nester auf der Suche nach meinem Vater zu durchstöbern, machte ihm der Bunker Angst. Was war nur in den Hunderten von öffentlichen Bunkern geschehen? Was hatte Joshua miterleben müssen? Er stand neben mir und hielt den Rucksack mit den Waffen und dem Proviant fest umklammert.
»Alles klar?« Trotz seiner braungebrannten Haut war er blass und wirkte gehetzt. Mir lagen eine Menge Fragen auf der Zunge. Fragen, die ich jetzt vielleicht nicht unbedingt stellen sollte.
Wir suchten uns Decken und Kissen zusammen und legten sie auf zwei noch intakte Betten. Dann schoben wir die Betten vor die Wand gegenüber der Treppe. Joshua setzte sich auf die nächste Matratze, lehnte sich zurück und ließ die Beine über die Bettkante baumeln. Den Rucksack hatte er neben sich abgestellt. Zwei Revolver lagen in seinem Schoß, und er spielte an seinem Jagdmesser herum.
Ich zog die Schuhe aus und setzte mich ebenfalls. Die Wunde in meiner Fußsohle
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