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The Weepers - Und sie werden dich finden: Roman (German Edition)

The Weepers - Und sie werden dich finden: Roman (German Edition)

Titel: The Weepers - Und sie werden dich finden: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Winnacker
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künstlichen Licht.
    »Ich hab sie mit den restlichen Kugeln geladen. Jetzt sind fast keine mehr übrig. Wir müssen auf alles vorbereitet sein.«
    Ich nahm zwei Pistolen und steckte eine davon in den Hosenbund. Das Ganze war ziemlich surreal, wie in einem Western oder einem Horrorfilm. Doch der Horror war echt. Ich hatte ein lebendes Wesen getötet. Früher hätte ich mich nicht überwinden können, auf etwas anderes als auf Tontauben zu schießen. Selbst wenn ich mit Dad auf der Jagd war. Aber um ihn zu finden war ich inzwischen zu allem bereit.
    »Hast du noch Munition?«
    Ich zeigte ihm die leeren Hosentaschen und lächelte entschuldigend. »Die hab ich gestern aufgebraucht.«
    Sein Grinsen machte mich ganz nervös. »Eine lausige Schützin«, murmelte er, aber ich hörte es trotzdem. Er gab mir eine Schachtel mit Munition und einen Apfel, dann schulterte er den Rucksack und ging zur Treppe, wobei er sich umsah, ob ich ihm auch folgte. Ich biss in den Apfel und eilte hinterher. Er rannte die Treppe hinauf, wobei er zwei Stufen auf einmal nahm.
    Ich wartete hinter ihm, als er die Schlösser öffnete und die Stahltür aufdrückte. Eine Wolke aus Kot- und Uringestank schlug uns entgegen. Ich musste würgen und atmete durch den Mund, bis wir das Erdgeschoss erreicht hatten. Noch immer hatte ich den ätzend-süßlichen Geruch in der Nase, als hätte er sich in meine Schleimhäute eingebrannt.
    In der Eingangshalle der Bibliothek war es jetzt viel kühler als gestern. Nicht zu warm und nicht zu kalt. Als ich durch die Vordertür sah, wurde mir auch der Grund für den Temperaturabfall klar. Dicke, graue Wolken bedeckten den Himmel. Das leise Trommeln der Regentropfen vertrieb die Stille.
    1 143 Tage, seit ich zum letzten Mal Regen gesehen, ihn auf der Haut gespürt oder seinen Duft gerochen habe.
    Ich atmete die frische Luft ein. Dann hob ich den Kopf, schloss die Augen und ließ die Tropfen auf mein Gesicht fallen. Besser als jede Dusche. So erfrischend. Ich musste plötzlich lachen ... und verstummte sogleich wieder. Ich durfte nicht lachen, nicht in einer solchen Situation. Nicht, solange Dad noch in Gefahr schwebte.
    »Los doch, Sherry!« Joshuas Worte wurden fast völlig vom Regen übertönt.
    Ich senkte den Kopf. Er wartete neben dem Lincoln, die Arme verschränkt und eine Augenbraue hochgezogen. Sein Haar klebte an seinem Gesicht und das T-Shirt an seinem Körper. Offensichtlich war er nicht so begeistert von dem Regen wie ich.
    Ich lief zum Lincoln. »Ich hab nur schon so lange keinen Regen mehr gesehen.«
    Kopfschüttelnd stieg er ein. Ich glitt auf den Beifahrersitz. Joshua schüttelte sich wie ein nasser Hund, sodass die Tropfen in meine Richtung flogen. Ich hob die Arme, um mich zu schützen.
    »Ich dachte, du magst Regen.« Er grinste so frech, dass ich ihn am liebsten geboxt hätte. Dabei versuchte ich, nicht allzu offensichtlich zu lächeln.
    Er holte die Karte und deutete auf die Nester, die wir als Nächstes durchsuchen würden. Die meisten befanden sich in der Nähe des Hafens, eines in einem Park.
    Ich zitterte. Joshua tippte mit dem Zeigefinger auf das Kreuz, das in dem Park eingezeichnet war. »Dieses Nest überprüfen wir als Letztes. Der Park ist völlig mit Gebüsch und Gras überwuchert. Da ist es meiner Meinung nach am gefährlichsten. Hoffen wir, dass wir ihn vorher finden.«
    Er ließ den Motor an. Das sanfte Brummen war neben dem Geräusch, mit dem die dicken Regentropfen auf das Dach und die Windschutzscheibe klatschten, kaum zu hören.
    Wir brauchten etwa dreißig Minuten bis zum Hafen. Hier war die Stadt noch weitgehend unbeschädigt, und nur wenige Häuser hatten etwas abbekommen. Trotzdem klafften Risse im Asphalt. Manche waren so groß, dass kleine Bäume aus ihnen wuchsen. Die Natur holte sich zurück, was einst ihr gehört hatte.
    Joshua stellte den Lincoln neben einem Lagerhaus in der Nähe des Ozeans ab, damit ihn die Weepers nicht sofort entdeckten. Ich roch den salzigen, grünen Meeresduft.
    Vor 1 143 Tagen habe ich zum letzten Mal das Meer gerochen, das sanfte Schlagen der Wellen gehört.
    Ich schirmte die Augen mit der linken Hand ab und betrachtete die Kreuzfahrtschiffe, die im Hafen vor An ker lagen. Die einst so prächtigen Schiffe waren mit grünem Schleim bedeckt. Algen. Sie sahen nicht gerade seetüchtig aus. Einige der kleineren Schiffe waren sogar gekentert.
    Bevor wir in den Bunker gegangen waren, hatten wir Berichte über Evakuierungsschiffe gehört, auf denen

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