Thea und Nat
griff in ihr schwarzes Haar, das aussah, als spüle sie es täglich mit schwarzem Hochglanzlack. An ihrem linken Ohr hing ein Davidstern, die kühn geschwungene Kreation eines Silberschmieds, der Miró im Sinn gehabt haben mußte. Ein ähnliches Schmuckstück, ein dicker silberner Klecks, steckte an der Schleife des schwarzen Kleides, das Sarah kimonoartig um den schmalen Körper geschlungen hatte. Der kleine Bauch wäre verborgen geblieben, wenn nicht ihre Hand daraufgelegen hätte.
Thea sah in das herzrunde Gesicht, das ein kalkiger Fleck in all dem Schwarz war, und dachte, daß Sarah vermutlich erst im Taxi von einem Sohn gehört hatte, der älter war als sie.
Sarahs Blick ging vom Vater zum Sohn. Die Verschiedenheit schien ihr verdächtig zu sein. Dabei stellte Thea das erstemal eine Ähnlichkeit bei den beiden fest, als Nathaniel Landman die Brauen hochzog und Nat betrachtete.
»Sit down«, sagte Nat.
Nur Sarah setzte sich. Nats Vater stand mit steifem Kreuz und langem Hals und nahm die Schultern noch mehr zurück, als müsse er seine ein Meter achtzig strecken und ein paar Zentimeter zulegen. Nat hatte die gleiche Größe. Er haßte es, hochzugucken.
»Sit down«, sagte er noch einmal.
Nathaniel Landman streichelte den schmalen Schnurrbart, der keine Spur von Grau zeigte, und sah auf seinen Sohn herab.
»That's a drag«, sagte er.
Thea knallte das Tablett mit dem Teeservice hart auf den Tisch. Die silberne Zange löste sich vom Knauf der Zuckerdose und landete klirrend in einer der Tassen.
»What's a drag?« fragte sie und wußte schon, was Nathaniel Landman eine ermüdende Sache nannte.
Er drehte sich zu ihr um und sah auf das Tablett.
»Nat's situation«, sagte er.
»Hat er das Gewehr nicht dabei?» fragte Nat.
Es deprimierte ihn schon in dem Moment, daß er nicht mutig genug war, es auf englisch zu sagen.
Thea beschloß, sich nicht lange mit Tee aufzuhalten, sondern sofort den Whisky anzubieten.
»Oh yes«, sagte Sarah, als sie die Whiskyflasche sah. Es war das erste, was sie sagte. Thea maß dem Bedeutung bei. Sie schenkte doppelte Whiskys ein und hob das Glas. Das Cheers wurde nicht erwidert.
Sarah nahm einen tiefen Schluck und sah Nat an.
»I like the black wheel-chair«, sagte sie, »it suits you.«
Nat zog die Augenbrauen noch höher, als sein Vater sie gezogen hatte, und musterte Sarah.
»I'm glad you like it«, sagte er.
»I hope the baby is not black«, sagte Nathaniel Landman. Sarah sah ihn wütend an.
Thea nahm die Flasche und füllte die Gläser noch einmal.
»Denkst du, das Kind ist nicht von ihm?« fragte Nat.
»Ich denke, daß dein Vater ein verdammter Zyniker ist.«
»Sarah steht ihm nicht viel nach. Ihr Kompliment hatte mir gerade noch gefehlt.«
»Sie wollte was Nettes sagen.«
»Das ist alles, was sich Nettes zu mir sagen läßt?«
»Reg dich nicht auf. Sie ist verrückt nach Schwarz.«
»Ja«, sagte Nat, »und wenn das Kind nun doch nicht von ihm ist?«
He is longing for a son, hatte Sarah gesagt.
»Das wäre eine Freude nach all den Mädchen«, sagte Nat.
»Was?« fragte Thea.
»Sarah sagte, daß er sich einen Sohn wünscht«, sagte Nat, »wenn sie weiter so Whisky trinkt, wird es ein froher Knabe sein.«
»Wie sein großer Bruder«, sagte Thea.
Sie nahm Nats Glas und stellte es zu den anderen auf das Tablett. Als sie es hochnahm, um in die Küche zu gehen, hielt Nat sie am Pullover fest.
»Setz dich und harre einen Augenblick aus. Ich muß das den ganzen Tag lang tun.«
Thea stellte das Tablett zurück auf den Tisch und setzte sich auf die Seitenlehne des Sofas.
»Sei nur auf dem Sprung«, sagte Nat, »nutze deinen Vorteil.«
»Was soll das?«
»Ihr nehmt mich alle nicht ernst. Mein Vater tut, als hätte ich mir absichtlich die Knochen gebrochen, um mich vor irgendeinem Kampf zu drücken. Seine Gattin richtet ein einziges Mal das Wort an mich und erwähnt den Stuhl, als säße ich nur aus dekorativen Gründen drin, und du.«
»Und ich?« fragte Thea.
»Ich finde mich tapfer«, sagte Nat, »ich heule dir nichts vor. Ich habe nicht mal dem lieben Gott eine Szene gemacht und eine Erklärung verlangt, warum das mir passieren mußte. Darf ich denn nichts von euch erwarten?«
Nat ließ den Satz in der Luft hängen.
»Sprich doch deine Sätze zu Ende«, sagte Thea.
»Ich stocke nur, weil ich dir die erschütternde Frage stellen will, warum du mich verdammt noch mal nicht mehr liebst.«
»Du kriegst die Themen durcheinander«, sagte Thea.
»Nein«,
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