Thea und Nat
Wunde«, sagte Nat.
Die Dame nannte den Namen einer Anwaltskanzlei und fragte nach einem Termin für Herrn Nathaniel Landman. Thea legte die Hand auf die Telefonmuschel und gab die Frage an Nat weiter.
Nat sagte, Herr Landman solle selbst anrufen oder sich zum Teufel scheren. Thea schlug der Dame den nächsten Nachmittag vor. Die Dame wollte es Herrn Landman weitergeben.
»Ist er schon in Hamburg?« fragte Nat.
»Hörte sich so an, als ob er schon vor dem Schreibtisch seines Herrn Kollegen sitzt.«
Nat gelang es, noch eine Weile gelassen zu wirken. Doch dann gab er der Nervosität nach.
Er nahm den Silberrahmen vom Kaminsims und legte Louises Foto in die Schublade. Er holte die Puppe vom Bartisch und steckte sie in einen Schrank. Er nahm die Noten vom Klavier und packte Literatur auf die leichte Lektüre, die sich neben seiner Schreibmaschine stapelte. Er schlug den Wirtschaftsteil der New York Times auf, die zu Theas Kontakten zur Außenwelt zählte, und deckte damit den Schreibtisch zu. Er zog die Zeitung wieder weg, weil Thea lachte.
»Das glaubt er dir nie«, sagte sie.
»Nein«, sagte Nat.
»Joyce ist schon übersetzt. Nimm ihn von deinem Stapel.«
»Er muß nicht sehen, daß ich schwachsinnige Bücher übersetze.«
»Der Titel sagt ihm doch nichts, und außerdem ist es ganz egal. Er nimmt dich so oder so nicht ernst.«
»Nein«, sagte Nat, »da ich noch nicht einen Hasen geschossen habe und keine hundert Frauen hingelegt und an keinem Krieg teilgenommen.«
»Er ist auch nur Anwalt und nicht Hemingway.«
»Wahrscheinlich denkt er, ich sollte mich erschießen. Er hält schon Kurzsichtigkeit für ein schweres Handicap.«
Stupid, hatte Nats Vater damals am Telefon gesagt.
Thea hörte noch den verächtlichen Ton.
That's a stupid thing.
Nichts anderes traute er seinem Sohn zu.
Töricht, Seil zu tanzen und zu stürzen und neben dem Netz zu landen. Ihn interessierte nicht, daß Thea am Steuer gesessen hatte. Er machte ihr auch keinen Vorwurf. Solange sie die Last der Sorge trug. Thea hatte den Hörer geschüttelt und gehofft, noch einen netten Satz herauszuholen, den sie Nat auf die Decke legen konnte.
Doch das Gespräch war unterbrochen worden, Nathaniel Landman danach nicht mehr erreichbar gewesen.
Thea legte Nat Lügen hin. Gerade so groß, daß er sie noch glaubte. Nat wußte, was er erwarten durfte. Trotzdem war er enttäuscht, daß nur der Scheck für einen neuen Jaguar kam. Der dritte, den Nathaniel Landman seinem Sohn schenkte. Dazu ein paar Zeilen mit der Order, sich nicht leid zu tun.
»Könnte doch sein, daß die Frau ihn milder macht«, sagte Thea.
»Könnte sein«, sagte Nat und zog seinen Daumen hart über die Seiten des Paperbacks, als übe er einen Kartentrick.
»Haben wir denn die deutsche Ausgabe von den Dubliners?« fragte er.
»Leg das Buch meinetwegen wieder auf den Stapel und tu, als ob du an einer arbeitest, aber laß es nicht aus dem Leim gehen.«
»Und wenn schon«, sagte Nat.
Doch er legte den Joyce zurück und verdeckte mit ihm den Deckel eines Buches, das Buddy Brickstone's Dream hieß und sich beim Übersetzen nicht ganz als die neue englische Literatur herausstellte, für die der Verlag es halten wollte.
»Nach der Trennung von Louise liebte er eine Tiger-Lily«, sagte Nat, »die platzte mal herein, als ich meine Besuchsstunde bei ihm hatte. Feuerrotes Haar und ein knallenges Kleid. Tigerstreifen. Es roch wie die Chintzvorhänge in Mimis Zimmer. An den Absätzen ihrer Schuhe hättest du Kebab braten können. Sie war eigentlich ganz nett. Sie faßte mir nicht unters Kinn, wie es die Bekannten meiner Mutter taten, und fragte auch nicht, ob ich eigentlich wüßte, wie gut ich es habe. Ich hätte Louise nur keine so ausführliche Beschreibung von Lily liefern sollen.«
»Nat, das Luder«, sagte Thea.
Nat lachte.
»Sich schlechten Geschmacks schuldig zu machen. Shocking. Schlimmer als die Scheidung.«
»Das glaube ich nicht«, sagte Thea.
»Nein«, sagte Nat, »das stimmt auch nicht. Heute denke ich, daß meine Mutter dreiundzwanzig Jahre darauf gehofft hat, ihm großzügig verzeihen zu dürfen.«
»Hol ihr Bild aus der Schublade«, sagte Thea.
Nat schüttelte den Kopf.
»Vielleicht hat er Louises Gesicht vergessen«, sagte er, »dann fällt ihm nicht auf, daß ich aussehe wie sie.«
Sarah war zu verlegen, um ihrer Aufmachung gerecht zu werden. Ihr schwarzgeschminkter Mund stand offen, doch es kam kein Wort.
»l'm the son«, sagte Nat.
Sarah nickte und
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